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Gekapert

Titel: Gekapert
Autoren: Nuruddin Farah
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begutachten, der Taxliil nach Dschibuti bringen soll, blickt er zwar auf, schüttelt aber den Kopf. Er hat sich mit dem Scheitern seines Plans abgefunden.
    Sein Handy klingelt. Stumm lauscht er ein, zwei Minuten und stellt dann auf Lautsprecher, so daß Xalan den Schwall von Anschuldigungen mithören kann, den Yusur gegen ihn vom Stapel läßt.
    »Taxliil sagt, du würdest ihm Angst einjagen«, sagt sie, »wenn du ihm erzählst, daß er vielleicht direkt von Dschibuti nach Guantánamo geflogen wird.«
    »Ich habe nichts dergleichen gesagt«, widerspricht Ahl.
    »Ich kann mir dich richtig dabei vorstellen«, sagt Yusur.
    »Nur zu, aber ich habe nichts dergleichen gesagt.«
    »Ich bin seine Mutter, und ich will, daß er zu mir zurückkommt.«
    »Aber er ist auch mein Sohn. Ich liebe ihn«, sagt Ahl.
    »Laß den Scheiß«, sagt sie. »Du weißt, daß er nicht dein Sohn ist und daß du ihn nie so geliebt hast, wie ein Vater seinen Sohn liebt. Und ich glaube ihm. Ich weiß, daß du versuchst, ihm Todesangst einzujagen.«
    »Aber, Yusur, Liebling ...«
    »Komm mir nicht mit Liebling!«
    Er weiß nicht, was er sagen soll.

    »Ist Xalan in der Nähe?«
    Er bejaht.
    »Kann ich kurz mit ihr reden?«
    »Ich möchte nicht anmaßend wirken«, sagt Xalan, »aber ich finde, daß du einen großen Fehler machst, wenn du Ahl vorwirfst, er habe sich falsch verhalten. Er verdient es, daß du ihn lobst, er verdient es, daß sich dein Sohn, der überaus schwierig ist, bei ihm bedankt. Ich schlage vor, du legst auf und rufst in einer Stunde wieder an, um dich zu entschuldigen, denn du hast keine Ahnung, was sich hier abspielt.«
    Und damit legt Xalan auf. Dann geht sie nach oben und sagt Taxliil, wenn er nicht binnen einer halben Stunde herauskomme und sich entschuldige, werde sein Vater allein nach Dschibuti fliegen und ihn hier zurücklassen.
    Als sie wieder herunterkommt, sagt sie zu Ahl: »Yusur benimmt sich völlig daneben. Die Yusur, die ich gerade gehört habe, ist nicht die Yusur, die ich gekannt und geliebt habe. Als sie mich kurz bevor du ins Flugzeug stiegst, anrief, beschrieb sie dich als den liebenswürdigsten und warmherzigsten Ehemann, den sich eine Frau nur wünschen kann. Was ist bloß in sie gefahren?«
    »Das ist nichts Neues«, erwidert Ahl, »dieser Charakterzug war schon immer vorhanden, er bricht hervor, wenn sie besorgt ist oder die Dinge nicht nach ihrem Willen laufen. Es gibt so manches, was du über Yusur niemals erfahren wirst, es sei denn, du wohnst tagtäglich mit ihr zusammen.«
    »Was aber ist der Auslöser für diese Ausbrüche?«
    »Yusurs Verhaltensweise wiederholt sich bei Taxliil«, sagt Ahl. »Wie die Mutter, so der Sohn. Im einen Augenblick reizend und im nächsten giftig und verbittert.«
    Zweifel malt sich auf Xalans Gesichtszüge, verdunkelt ihr Antlitz. Sie bedauert, Zeugin von Yusurs Ausbruch, ihrer Unverschämtheit, geworden zu sein. Da Ahl Yusur kennt, weiß er, daß sie ihre Anschuldigungen nicht zurückziehen oder sich entschuldigen wird, selbst wenn sich eine Gelegenheit bietet. Das Wort Entschuldigung existiert im Wortschatz seiner Frau nur am Rande.
    Das Schweigen wird ihm unbehaglich, und er fragt Xalan, ob sie in ihrer Ehe glücklich sei.
    »Ja«, sagt sie. »Tatsächlich habe ich mich oft gefragt, ob Glück in einer Ehe nötig ist. Glück ist ja häufig ein flüchtig Ding. Ich bin seit mehr als fünfundzwanzig Jahren verhei­ratet, und er war immer loyal, immer. Viele somalische Ehemänner wären fortgelaufen, nachdem was mir angetan worden ist. Sogar meine Schwester hat mir den Rücken zugedreht. Aber nicht mein Warsame. Das ist wahre Liebe.«
    Ahl behält seine Meinung für sich und schweigt.
    »Warsame unterscheidet sich sehr von seinen Freunden, ist oft die Zielscheibe ihres Spottes. Sie nennen ihn feige, weil er sich nicht von einer Frau hat scheiden lassen, die durch eine Massenvergewaltigung beschmutzt worden ist, und eine jüngere Frau geheiratet hat. Er ist einmalig, denn es gibt nur sehr wenige Somalier, denen die Treue im Blut liegt.«
    Erstaunt über ihren Mut küßt er sie aufs Handgelenk.
    Sein Telefon klingelt. Cambara gibt durch, daß sie in Nairobi angekommen sind, im Verkehr zwischen Flughafen und Krankenhaus stecken. Sie verspricht, ihm später die Telefonnummer der Klinik mitzuteilen.
    Als es auch für Ahl Zeit ist, zum Flughafen aufzubrechen, kommt Taxliil dazu. Er hat sich mit einer verkehrt herum aufgesetzten Lakers-Baseballkappe und Sonnenbrille herausgeputzt; er
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