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Gekapert

Titel: Gekapert
Autoren: Nuruddin Farah
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ein Problem«, sagt Taxliil.
    »Was für ein Problem?«
    »Mir gefällt dieser Paß nicht«, sagt Taxliil.
    »Was gefällt dir denn daran nicht?« will Ahl wissen.
    »Ich werde ein Jahr älter gemacht, und meine Decknamen gefallen mir auch alle nicht.«
    Wer hat behauptet, daß es kein Leben nach dem Tod gibt? Ahl fällt eine Zeile von Auden ein: Eigennamen sind ungeschliffene Poesie. Ahl liest die Abfolge der Namen, auf die Taxliil hören soll – Mohammed Mahmoud Mohammed – und muß ihm unwillkürlich zustimmen, zusammengenommen wirken sie sehr erfunden. In einer Anwandlung von Mitleid klopft Ahl ihm auf den Rücken und füllt, da Tax­liil keine Einwände hat, die Formulare für ihn aus.
    Sie sind die letzten verbliebenen Passagiere und bilden ihre eigene Schlange. Als sie sich dem Schalter nähern, murmelt Ahl streng auf englisch: »Das Reden übernehme ich.«
    Gnädig nickt Taxliil.
    Da ihre Namen nicht übereinstimmen und Ahl mit einem amerikanischen Paß reist, in dem sich ein dschibutischer Ausreisestempel befindet, der weniger als vierzehn Tage alt ist, Taxliil jedoch einen somalischen Paß besitzt, der vor einem Jahr ausgestellt, aber noch nie benutzt worden ist, werden sie eine Erklärung für die offensichtlichen Unstimmigkeiten liefern müssen. Ahl verspricht sich größere Aufklärungschancen, wenn sie gemeinsam zum Schalter gehen. Schließlich ist es in diesem Teil der Welt nicht ungewöhnlich, daß Eltern und Kinder unterschiedliche Nachnamen tragen. Mit etwas Glück erkennt der Grenzbeamte nicht, daß mit Taxliils Reisedokument etwas nicht stimmt.
    Der Grenzbeamte ist sehr höflich, heißt sie beide in Dschibuti willkommen. Nacheinander studiert er lange die Pässe und deren Daten, blickt dann von Ahl zu Taxliil und wieder zurück, entdeckt in ihren Gesichtern keine Familienähnlichkeit oder in den Dokumenten gar die gleiche Staatsangehörigkeit.
    Ahl kann Taxliils Nervosität spüren. Er macht den Eindruck, als wollte er gleich wegrennen oder mit etwas Belastendem herausplatzen. »Er ist mein Stiefsohn«, rückt Ahl heraus, beläßt es aber dabei.
    »Ich gehe auf keinen Fall nach Bosaso zurück«, sagt Taxliil.
    Wie Zahnpasta, die aus der Tube quillt, läßt sich auch das hier nicht rückgängig machen, auch wenn Ahl lauthals diese Eröffnung als die Entgleisung eines Jugendlichen abtut. Taxliil unterbricht ihn und sagt in gereiztem Tonfall: »Laß mich in Ruhe.« Der Grenzbeamte läßt sich Zeit und betrachtet die Pässe noch eingehender, nimmt die Formulare abermals unter die Lupe. Er richtet kein Wort an die beiden. Er nimmt den Telefonhörer und flüstert zwei Worte auf französisch in die Sprechmuschel.
    Binnen einer Minute erscheint ein weiterer, höherrangiger Grenzbeamter. Auch er betrachtet die Pässe eingehend, studiert die Gesichter von Ahl und Taxliil, als erwarte er sich dort einen Hinweis. Dann spricht er ein einziges Wort ins Telefon. Ein dritter, noch ranghöherer Grenzbeamter kommt hinzu.
    Ahl und Taxliil werden in einen kleinen Raum im Flughafengebäude geführt. Man setzt sie in verschiedene Räume und stellt ihnen persönliche Fragen, wo sie geboren wurden, wo sie herkommen und wo sie hinwollen. Weitere Formulare. Weitere Fragen. Ihre Adresse, Telefonnummer, Beziehung, Arbeitsstelle respektive Name der Schule in Minneapolis. Man gibt ihnen neue Formulare, die sie ausfüllen müssen. Andere Beamte, die gleichen Fragen, die Gespräche werden aufgezeichnet und man nimmt ihre Fingerabdrücke.
    Kurz vor Anbruch der Dunkelheit werden sie in zwei verschiedenen Kleinbussen zu einer ungefähr einen Kilometer entfernten Polizeiwache gebracht, wo sie sich getrennt voneinander einer längeren, ausführlichen Vernehmung unterziehen müssen, zuerst durch die dschibutischen Behörden und dann – aber woher soll Ahl wissen, was dann als nächstes geschehen wird?
    Xalan hat ihre Reiseroute von dem Moment, als sie ins Flugzeug stiegen, bis zu ihrer Ankunft in Dschibuti genauestens verfolgt. Ihr Freund, der dschibutische Journalist, bestätigt, daß sie sich in staatlichem Gewahrsam befinden, und der Grenzbeamte, den er zum Sprechen bewegen konnte, berichtete ihm von den Prozeduren, die die beiden über sich ergehen lassen mußten, und daß sie zu einem unbekannten Ziel gefahren wurden.
    Xalan fragt den Journalisten, woher er das alles wisse.
    »Der Offizier ist ein Kumpel von mir, wir kauen zusammen qaat «, erwidert er.
    Cambara erzählt Bile das Neueste von Malik, der immer noch nicht
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