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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut
Autoren: Stacia Kane
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so weit wieder klar, dass sie sich auf ihren kleinen Finger besinnen konnte und auf das Blut, das daraus auf die Erde tropfte.
    Ihre umeinander wirbelnden Gedanken nahmen Gestalt an. Auf dem Flugplatz gingen Geister um. Richtige Geister, die seit knapp über hundert Jahren hier waren, die erschaffen worden waren, als der hiesige Luftwaffenstützpunkt niederbrannte, als ... als Schlafentzug dazu geführt hatte, dass die Männer hier wahnsinnig wurden. Wahnsinnige spalteten sich im Sterben manchmal auf, wechselten die Gestalt oder verschmolzen miteinander zu neuen Wesen.
    Wie die Traumdiebe.
    Wenn es das war, woher er stammte, wenn er tatsächlich aus abgelegten Bestandteilen der Geister dieses Flugplatzes bestand, würden sie versuchen, ihn wieder in sich aufzunehmen. Sie würden ihn überwältigen und auflösen.
    Falls sie recht hatte. Und falls nicht ... konnte sie nur hoffen, dass sie stark genug war, denn ein ganzes Bataillon dieser Geister würde sie alle, sämtliche Personen dort auf dem Feld, in unter zwei Minuten niedermachen.
    Scheiß drauf. Ihr blieb ja ohnehin keine andere Wahl, nicht wahr? Entweder würden der Traumdieb und die Lamaru sie alle töten, oder die Geister würden es tun, doch bei den Geistern blieb ihr immerhin der Hauch einer Chance. Sie zwang Energie in ihr Blut hinein, leitete sie damit in den Erdboden und öffnete sich so weit sie nur konnte, wartete darauf, dass die Energie in sie zurückgeworfen würde und alle ihre Sinne überwältigte. Sie wartete genauso angespannt und erwartungsvoll wie bei ihren Pillen, wenn sie sich auflösten. Das hier jedoch würde alle Pillen und überhaupt sämtliche Drogen weit hinter sich lassen. Das würde der ultimative Rausch. Die Beschwörungsformel lag ihr schon auf der Zunge, sie war bereit, sie sofort auszusprechen, sobald die Energie in sie hineinströmte.
    Doch nichts geschah. Stattdessen spürte sie, wie der Traumdieb auf sie vorrückte, und wusste, dass er binnen Sekunden über ihr stehen würde. Das hier musste funktionieren, es musste einfach, sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie das später wieder richten sollte und was es für Bump und Lex bedeuten würde, wenn sie das jetzt tat, doch immerhin war sie dann ja am Leben und konnte überhaupt etwas unternehmen, also: ganz ruhig ...
    Energie stieg aus dem Boden auf, strömte ihr in den Finger, strömte durch sie hindurch. Es war die Macht der Erde, eine feste Macht. Geistwesen vermochten diese Art von Macht nicht ohne Weiteres anzuzapfen, jedenfalls nicht so, wie Menschen das vermochten. Die Erde war schließlich ihr Gefängnis, sie konnten nicht durch sie hindurchdringen und sie nicht für sich nutzen.
    Chess drehte sich um, sodass sie nun auf dem Rücken lag. Der Traumdieb war nur noch wenige Meter von ihr entfernt. Es blieb keine Zeit mehr. Ihre Finger ergriffen ein Streichholz, rissen es an ihrer Jeans an und legten es an die Kräuter, die ihr aus der Hand rieselten.
    »Kadira tam! Kadira tam! Sei bezwungen! Mit Blut beschwöre ich dich herbei, und mit Blut bezwinge ich dich!« Nichts geschah. Scheiße. Sie hatte das noch nie zuvor gemacht und verstieß gegen ein halbes Dutzend kirchlicher Gesetze, indem sie es auch nur versuchte.
    Der Traumdieb stand nun direkt über ihr, das Messer in der erhobenen Hand. Sie riss ein Bein hoch und versuchte, nach ihm zu treten, doch ihr Bein stieß einfach durch ihn hindurch wie durch Luft. Nur das Messer und die Hand, die es hielt, waren fest. Auch gut.
    Sie legte sich flach hin, als wäre sie zu schwach und verängstigt, um sonst noch irgendetwas zu unternehmen, und wartete darauf, dass er sich auf sie stürzte. Ihre Gelegenheit würde kommen, es galt, bereit zu sein ...
    Er warf sich auf sie, und sie sprang gleichzeitig mit aller Kraft, die sie hatte, empor. Seine Klinge streifte sie am Arm, doch das bemerkte sie kaum, denn sie war viel zu abgelenkt durch die schmerzende Eiseskälte, die sie verspürte, als sie durch ihn hindurchsprang.
    Hinter ihm fing sie sich nicht ab, sondern ließ sich auf den Bauch fallen. Das restliche Melidia lag dort noch auf dem Boden, und es mochte durchaus genug sein.
    Zu dem nicht mehr ganz so lauten Kampfgeschrei kam nun ein lautes Brummen und Dröhnen wie von einer Bohrmaschine. Chess achtete nicht weiter darauf. Sie hatte versagt, aber sie war noch am Leben, und sie würde sich nicht kampflos ihrem Schicksal ergeben. Wenn dieser Traumdieb mit ihr verbunden war, musste es möglich sein, die Verbindung zu kappen.
    Das Melidia
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