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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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seine guten Kleider über die Armlehne des Stuhls gelegt. Und erst unter der Decke, in der tiefsten Stille der Nacht hatte er die Hand geöffnet und betrachtet, was er da mitgebracht hatte. In der pechschwarzen Finsternis glühten die Worte. Er war noch immer ein attraktiver Mann, ein begehrenswerter Mann, ein Mann, der – wenn er es wollte – aus sich einen anderen Mann machen konnte, ein Mann, der Geheimnisse für sich behalten konnte, der das Leben schichtweise lebte, der in der Manier eines Kavaliers anderen den Vortritt ließ. Der nie auf den Sirenengesang, die Verlockungen des Neuen reagiert hatte, auch wenn dieser Gesang in seinen Ohren nie völlig verstummt war. Und nun war ihm eine solche Gelegenheit geradezu qualvoll nahe gekommen: Er überlegte, ob es dumm von ihm gewesen war, sie nicht zu ergreifen. Sie nicht zu ergreifen, denn er würde zweifellos nie wieder etwas von ihr hören. Ein Abgrund hatte sich aufgetan, als er sie abgewiesen hatte – sie hatte ihn kaum eines weiteren Wortes gewürdigt und war nicht mehr lange auf der Party geblieben. Er erinnerte sich nicht daran, wie oder ob er sich überhaupt verabschiedet hatte.
    Er hatte in der Dunkelheit frierend auf der Matratze gelegen und das Verlangen niedergekämpft, laut loszuheulen. Am folgenden Morgen war er gereizt aufgewacht, der ganze Kiefer hatte ihm geschmerzt, so kräftig hatte er in der Nacht mit den Zähnen geknirscht. Sein erster Gedanke war: Sie ist weg. Und weil er diese Vorstellung nicht ertragen konnte, dachte er den ganzen Tag, so gut es eben ging, an gar nichts.
    Und jetzt, einen Tag später, kommt es ihm vor, als ob es nach einem Unwetter zu regnen aufhört; er ist noch einmal knapp einem Erdrutsch entkommen, entdeckt, dass er fliegen kann. Als er die Post durchsieht, erkennt er sofort ihre Handschrift. Und als er den Umschlag aufreißt, findet er die Geschichte, die sie geschrieben hat, eine wahre Hymne der Verheißungen, ein Porträt der Zukunft, eine Tausende von Worten lange Einladung. Er liest den Text wieder und wieder, zerknittert die Blätter in seinen Händen. Er sieht sofort, was es mit ihren Worten auf sich hat: Sie sind ein Köder. Er sieht auch Dinge, die er noch nie zuvor gesehen hat: den Wald, die Sterne, das Flüstern; wie er sie an sich drückt, sie küsst, in sie eindringt. Er lehnt mit ihr an dem Baum, denkt an nichts, brennt innerlich lichterloh. Sein Blut war in Wallung geraten, immer wieder hatte er die Beine abwechselnd übereinander geschlagen. Er hatte die Worte mehrmals gelesen, sie mit ausgestrecktem Arm vor sich gehalten, während tief in seinem Magen das Verlangen, das Begehren immer stärker wurde. Auf seiner Oberlippe standen Schweißperlen, er biss sich verzweifelt auf seinen Daumennagel. Er hatte ihren Brief gelesen, bis er nur noch drei Worte denken konnte, drei ganz einfache Worte: Ich bin erledigt. Ja, es war um ihn geschehen.
    Wieder blickt er aus dem Autofenster, versucht, die Maße ihres Hauses abzuschätzen. Ein komplett unauffälliges Haus, wie es in diesem bürgerlichen Viertel viele gibt: gepflegt und unprätentiös, weder Bruchbude noch Villa. Ein Haus, auf das niemand einen zweiten Blick verschwenden würde, genau der richtige Ort, um etwas zu verstecken. Er ist schrecklich nervös, verzweifelt vor Sehnsucht. Er würde allen Mut zusammennehmen, wenn er welchen hätte: Doch fühlt er sich aller besonderen Merkmale entkleidet, ausgehöhlt, wie ein unbeschriebenes Blatt. Er ist vollkommen leer und muss erst wieder gefüllt werden.
    Der Vorgarten des Hauses ist mit Pflanzen überwuchert: Sicher gibt es dort irgendwo einen Wasserhahn, einen Schlauch, unter den er seinen Kopf halten könnte. Am besten, er klopft an ihre Tür, bittet sie um eine Tasse Tee und verliert keine Silbe darüber, dass plötzlich nichts mehr ist, wie es war. Er steigt aus, schließt den Wagen ab, schiebt den Schlüssel in die Tasche, geht über die leere Straße. Er öffnet das Gartentor, schließt es hinter sich – das erste und letzte, was er tut.

D as Haus ist innen gepflegter und sparsamer dekoriert, als er erwartet hatte. Die Räume sind in unterschiedlich dunklen Farbtönen gehalten. Sie besitzt Dinge, die die meisten Leute gewiss gerne anfassen würden, doch er wandert nur schweigend umher und sieht sich alles an. Sie steht vor dem CD-Spieler, weiß nicht recht, welche Musik sie einlegen soll. Als sie ihm die Haustür geöffnet hat, hat sie bei seinem Anblick nicht schlecht gestaunt, das ist ihm nicht
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