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Geheimes Verlangen

Geheimes Verlangen

Titel: Geheimes Verlangen
Autoren: C Redfern
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ihr seine Qualen zu schildern, doch dann hält er inne – denn genau das erwartet sie ja von ihm. Sie ist schlau, ein Wolf im Schafspelz: Wenn er doch nicht in jede Falle hineinstolpern würde, die sie ihm stellt, dann wäre sein Leben gewiss deutlich einfacher. Sie spielt mit ihm, als wären seine Knochen aus Draht, sein Herz aus Holzwolle. Inzwischen ist ein Jahr vergangen seit jenem ersten Hallo. Zuerst war sie für ihn bloß ein Nichts gewesen, dann eine schemenhafte Figur, und jetzt erscheint sie ihm wie eine betörende
    Fee: ein strahlender Stern, der sein ganzes Denken ausfüllt. Er hat im Telefonbuch nach ihrer Adresse gesucht, hat mit den Fingern kaum sichtbare Linien verfolgt. Er hat ihre Nummer so oft gewählt, dass er sie schon auswendig kennt. Er weiß noch alles, was sie ihm erzählt hat, jedes Wort hat sich ihm eingeprägt. Sie hat eine Schwäche für Pyjamas, Ostereier und Kuchen, und sie gibt angeblich gerne Geld aus. Sie hat nichts übrig für Hippies und Küchenarbeit und findet es gar nicht witzig, einem Auto einen Vornamen zu geben. Er beneidet die Freunde, die sie besucht, den Hund, den sie spazieren führt, die Leute, die sie auf der Straße grüßt. Wenn er mit ihr zusammen ist, bemerkt er die Adern auf ihren Händen, die Länge ihrer Wimpern, die Sommersprossen auf ihren Armen. Morgens ist sie sein erster, abends sein letzter Gedanke. Jeden Morgen presst er sich seinen steifen Schwanz mit der hohlen Hand gegen den Bauch, bleibt noch ein paar Minuten liegen und überlässt sich seinen wolkigen Erinnerungen an sie.
    Er seufzt, rutscht in seinem Sessel hin und her. Er ist verkrampft und überhitzt, die Dinge ringsum verschwimmen vor seinen Augen. Auf die Frage nach seinem Befinden würde er vermutlich anfangen zu kreischen oder in Tränen ausbrechen. Ganz sicher würde er fliehen – bis an den Rand der Welt und sich dann ins Nichts stürzen.
    Sie befördert ihn mit sanften Schlägen ins Jenseits. Denn nichts anderes ist dieses Lodern in seinem Kopf: der Tod von etwas, Verdammnis. Selbst wenn er sich jetzt davonmacht, ihr Gesicht, ihre raue Stimme, alles, was mit ihr zu tun hat, aus seinem Gedächtnis löscht; es ist bereits zu spät, er ist schon nicht mehr der alte. Er hat schon vergessen, wie er vorher gewesen ist, weiß nicht mehr, woran er gedacht hat, bevor sie sich seiner Gedanken bemächtigt hat. Für seinen erbärmlichen Zustand gibt es nur ein passendes Wort: Er ist ihr sexuell verfallen. Aber nein, so einfach kann es doch gar nicht sein. Sie hat versprochen: keine Fesseln, doch so unbekümmert kann er die Dinge nun mal nicht sehen. Er kann nicht mit einer Frau schlafen, für die er nichts empfindet, er ist nicht der Mann, für den Sex nichts weiter bedeutet. Wenn er zu ihr ginge, wäre das eine Niederlage, ein Verrat; es würde bedeuten, dass er sie mag, dass er nahe daran ist, sie zu lieben. Schon jetzt erlebt er immer wieder Anwandlungen eines hitzigen, ungebärdigen, epileptischen Wahns, die sich nur als Vorboten eines kompletten Zusammenbruchs deuten lassen. Er überlegt, ob es für ihn etwas Schöneres gibt als diesen ausgelassenen Taumel. Doch das Schlimmste, was ihm passieren könnte, wäre es, sich in sie zu verlieben. Dann immer noch besser, ihr sexuell verfallen zu sein – ein pubertärer Zustand vielleicht, der aber nicht ewig währt.
    Er späht über seine Fingerkuppen hinweg, blickt verstohlen aus dem Fenster. Draußen ist alles völlig ruhig, niemand, der seinen Blick erwidert. Trotzdem wird er das Gefühl nicht los, dass er beobachtet wird, die Angst, dass die ganze Welt seine Gedanken lesen kann. Er ist durstig – am liebsten würde er sich mit einem Schlauch Wasser ins Gesicht spritzen, sich schwindelig trinken. Er fühlt sich ausgedörrt, nervös, leer, wie unter einer Gerölllawine begraben. Seit sie ihm das wenig elegante Angebot unterbreitet hat, ihn zu vögeln, bis er zu schreien anfängt, fühlt er sich nicht mehr wohl in seiner Haut.
    Er weiß: Die meisten Männer träumen von so einem Angebot. Auch ihn haben ihre Worte schier betäubt, jedes Atom in seinem Körper unter Strom gesetzt. Als ob er mit dem Kopf voraus gegen eine dicke Glasscheibe gerannt wäre, ja, so hatte er sich gefühlt. Und mit der Antwort Ich würde ja gern, wenn ich könnte, war es ihm völlig ernst gewesen, die Sache war nur die: Er konnte nicht. Dennoch hatte er das Angebot mit nach Hause genommen, es ganz fest mit der Hand umschlossen gehalten. Er hatte sich im Dunkeln ausgezogen,
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