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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen
Autoren: Giles Blunt
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haben hier die Überreste eines jugendlichen menschlichen Körpers – wegen fortgeschrittener Verwesung und Tierfraß ist eine eindeutige Geschlechtsbestimmung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Der Oberkörper ist unbekleidet, die untere Körperhälfte teilweise von Blue Jeans bedeckt, der rechte Arm fehlt, ebenso der linke Fuß. Das Gesicht ist durch Aasfresser bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Der Unterkiefer fehlt. Mein Gott«, sagte er dann, »es ist ja noch ein Kind.«
    Cardinal glaubte ein Beben in Barnhouses Stimme zu erkennen; seiner eigenen hätte er auch nicht getraut. Und das lag nicht allein an der Verwesung – alle hatten in dieser Hinsicht schon Schlimmeres gesehen. Es war die Tatsache, dass die Überreste in einem rechteckigen, vielleicht zwanzig Zentimeter dicken Eisblock steckten. Leere Augenhöhlen starrten durch das Eis hinauf in die Dunkelheit über ihren Köpfen. Ein Auge war herausgerissen worden und lag festgefroren über der Schulter des Opfers; von dem anderen fehlte jede Spur.
    »Haare – schwarz, schulterlang – sind vom Schädel gelöst; das Becken weist vorn Furchungen auf, was vielleicht auf weibliches Geschlecht deutet – aber ohne Untersuchung, die im gegenwärtigengefrorenen Zustand nicht möglich ist, kann hierüber nichts Genaueres gesagt werden.«
    Jerry Commanda leuchtete mit seiner Taschenlampe erst hinauf zu dem Bretterdach, dann wieder hinunter auf den Betonboden zu ihren Füßen. »Das Dach ist schon lange undicht. Man kann das Eis da oben sehen.«
    Andere richteten ihre Lampe ebenfalls nach oben und betrachteten die Eiszapfen zwischen den Brettern. Schatten huschten über die leeren Augenhöhlen.
    »Im Dezember gab es drei warme Tage, an denen alles zu tauen begann«, fuhr Jerry fort. »Die Leiche liegt wahrscheinlich über einem Abfluss; als das Eis geschmolzen ist, hat sich die Senke mit Wasser gefüllt. Dann fielen die Temperaturen wieder, und alles fror fest.«
    »Als ob sie in Bernstein eingeschlossen wäre«, bemerkte Delorme.
    Barnhouse sprach weiter. »Keine Kleidung an der Leiche oder in ihrer Nähe, abgesehen von Jeans, die – aber das habe ich schon gesagt, oder? Ja, ich bin mir sicher. Erhebliche Gewebszerstörungen in der Unterleibsregion, die Eingeweide und die meisten Organe fehlen. Ob dies auf Verletzungen vor Eintritt des Todes oder auf postmortalen Tierfraß zurückzuführen ist, kann nicht festgestellt werden. Teile der Lunge sind sichtbar, obere Lungenlappen auf beiden Seiten.«
    »Katie Pine«, sagte Cardinal. Er hatte es nicht laut sagen wollen. Er wusste, dass eine Reaktion nicht ausbleiben würde, und tatsächlich kam sie mit aller Schärfe.
    »Sie wollen uns doch wohl nicht weismachen, dass Sie das arme Mädchen anhand des Fotos aus dem Schuljahrbuch erkennen. Ehe nicht der Oberkiefer mit Befunden aus zahnärztlichen Unterlagen verglichen ist, kann von einer Identifizierung keine Rede sein.«
    »Danke, Doktor«, sagte Cardinal leise.
    »Es besteht wirklich kein Anlass zu Sarkasmus, Detective.Ob Sie nun wieder im Morddezernat arbeiten oder nicht, sarkastische Bemerkungen lasse ich mir nicht bieten.«
    Barnhouse richtete seinen finsteren Blick nochmals auf die Leiche zu seinen Füßen.
    »Gliedmaßen, soweit vorhanden, fast skelettiert. Mir scheint aber ein Grünholzbruch in der Speiche des linken Unterarms vorzuliegen.« Er trat von der Kante der Stufe zurück und verschränkte trotzig die Arme. »Meine Herren, meine Dame, ich ziehe mich aus der weiteren Ermittlung zurück. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung ist in jedem Fall notwendig. Da der Lake Nipissing in die Zuständigkeit der Ontario Provincial Police fällt, übergebe ich Ihnen, Mr. Commanda, offiziell die Federführung bei der Ermittlung.«
    »Wenn das hier Katie Pine ist«, sagte Jerry, »dann ist die Ermittlung Sache der Stadtpolizei.«
    »Aber gehört Katie Pine nicht trotzdem zu Ihnen? Das Reservat fällt doch in Ihre Zuständigkeit.«
    »Sie wurde auf einem Rummelplatz in der Nähe der Memorial Gardens entführt. Das macht das Ganze zu einem Fall für die Stadtpolizei – zu Cardinals Fall, und das schon, seit sie verschwunden ist.«
    »Trotzdem«, beharrte Barnhouse, »solange eine eindeutige Identifizierung nicht möglich ist, lege ich die Ermittlungen in Ihre Hände.«
    »Na schön, Doktor«, entgegnete Jerry. »John, du kannst ermitteln. Ich weiß, dass es Katie ist.«
    »Diese Aussage entbehrt jeglicher Grundlage. Sehen Sie doch«, Barnhouse zeigte mit dem
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