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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen
Autoren: Giles Blunt
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Diktiergerät auf die Leiche, »von der Kleidung abgesehen, ist kaum etwas Menschliches zu erkennen.«
    »Katie Pine«, erläuterte Cardinal ruhig, »hatte sich beim Skateboardfahren die Speiche des linken Arms gebrochen.«
    *
    Sie saßen zu fünft im Fahrzeug der Spurensicherung. Barnhouse war gegangen, die zwei Streifenbeamten warteten im Lkw. Cardinal musste gegen den Lärm des Heizgebläses anschreien. »Wir müssen großflächig absperren. Von nun an ist die ganze Insel Sperrgebiet. Im Schachteingang gab es keine Blutspuren oder sonstige Hinweise auf einen Kampf, also ist es vermutlich nicht der Tatort, sondern nur das Versteck für die Leiche. Dennoch möchte ich nicht, dass irgendwelche neugierigen Schneemobilfahrer hier aufkreuzen und Spuren verwischen. Wir werden daher die ganze Insel absperren und bewachen lassen.«
    Delorme reichte ihm das Handy. »Ich habe hier die Gerichtsmedizin. Len Weisman ist am Apparat.«
    »Len, wir haben hier eine Leiche, die in einem Eisblock festgefroren ist. Ein Kind, vermutlich ermordet. Wenn wir den Eisblock, so wie er ist, herausschneiden und in einem Kühlwagen zu euch in die Pathologie schicken, kämt ihr mit so etwas zurecht?«
    »Kein Problem. Wir haben hier mehrere Kühlgeräte, die Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt erzeugen. Wir können den Block langsam auftauen und Haare oder Textilfasern jeder Art für die Untersuchung entnehmen.« Es wirkte befremdlich, eine Stimme aus Toronto in dieser Mondlandschaft zu hören.
    »Ausgezeichnet, Len. Wenn wir mit dem Abtransport fertig sind, geben wir euch die voraussichtliche Ankunftszeit durch.« Cardinal gab Delorme das Handy zurück. »Arsenault, Sie sind der Experte für Spurensicherung. Wie bekommen wir die Leiche hier raus?«
    »Wir können sie ohne weiteres in einem Block aus dem Eis schneiden. Schwieriger dürfte es sein, den Eisblock vom Betonboden zu trennen.«
    »Holt euch einen Mann aus der Stadt. Die sägen doch häufig Beton. Und dann könnt ihr alle schon mal eure Terminkalender entrümpeln. Wir müssen den Schnee durchsieben.«
    »Aber sie ist seit Monaten tot«, wandte Delorme ein. »Der Schnee wird uns keine Hinweise mehr geben.«
    »Das können wir nicht mit Gewissheit sagen. Hat jemand gute Kontakte zur Armee?«
    Collingwood hob die Hand.
    »Sagen Sie denen, wir brauchen ein großes Zelt. Ungefähr so groß wie ein Zirkuszelt, mit dem wir die Insel abdecken. Das Letzte, was uns fehlte, wäre neuer Schnee auf dem Fundort. Auch möglichst große Heizgebläse, solche Apparate, mit denen man bei der Luftwaffe Flugzeughangars heizt. Damit schmelzen wir den Schnee und sehen uns dann an, was darunter ist.«
    Collingwood nickte. Von allen saß er dem Heizgebläse am nächsten. Sein Handschuh dampfte.

3
    D as Gelände abzusperren und eine Bewachung rund um die Uhr einzurichten dauerte länger als erwartet; Polizeiarbeit braucht immer länger als erwartet. Als Cardinal schließlich um ein Uhr morgens nach Hause kam, war er zum Schlafen noch zu aufgewühlt. Er setzte sich mit einem Glas Black Velvet pur, zwei Finger hoch eingeschenkt, ins Wohnzimmer, und machte sich Notizen über das, was er morgen zu erledigen haben würde. Im Haus war es so kalt, dass ihn selbst der Whisky nicht aufwärmte.
    Kelly würde mittlerweile wieder in den USA sein.
    Am Flughafen hatte Cardinal beobachtet, wie seine Tochter einen ihrer Koffer auf die Gepäckwaage gehoben hatte, und bevor sie den nächsten auch nur anrühren konnte, war schon ein junger Mann aus der Warteschlange hinter ihr herbeigesprungen und hatte den Koffer für sie auf die Waage gestellt. Na ja, Kelly war eben eine hübsche junge Frau. Cardinal teilte die Voreingenommenheit, die Väter üblicherweise zugunsten ihrer Töchter hegen. Er glaubte, jeder objektive Beobachter müsse sie genauso charmant finden wie er. Ein schönes Gesicht zu haben, das wusste Cardinal, war, wie reich oder berühmt zu sein: Ständig rissen sich andere darum, einem behilflich zu sein.
    »Du brauchst wirklich nicht länger zu warten, Daddy«, hatte sie zu ihm gesagt, als sie in den Warteraum hinuntergingen. »Du hast bestimmt Wichtigeres zu tun.«
    Aber Cardinal hatte nichts Wichtigeres zu tun.
    Der Flughafen von Algonquin Bay war darauf ausgelegt, rund achtzig Reisende gleichzeitig abzufertigen, doch so viele waren es selten. Eine kleine Cafeteria, stumme Verkäufer für den
Algonquin Lode
und die Zeitungen aus Toronto – das war schon alles. Sie setzten sich, und Cardinal kaufte
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