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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen
Autoren: Giles Blunt
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Fraser es leichter zu Tode treten konnte.
    »Er war ein Nichts«, sagte die Frau zu Cardinal. »Bloß ein Stück Scheiße von der Straße.« Sie ergriff die Fernbedienung und drückte auf den Rücklaufknopf.
    Auf dem Bildschirm lief das Geschehen rückwärts. Fraser zog seinen Stiefel mehrmals aus Todd Currys Rippen, dann rutschte der Junge die Couch hinauf. In seine schlaffen Glieder strömte wieder Kraft. Die Frau ließ seine Haare los, glitt hinter die Couch und setzte sich erneut neben ihn.
    Die Hammerschläge ließen nach, ihre mörderische Wirkung verflog. Blut strömte aufwärts in die Nase des Jungen, scharlachrote Tränen rannen in seine Augen zurück. Er ließ die Arme sinken, und sie wurden wieder heil. Auf Entsetzen folgte Verwunderung,und mit einem letzten Schlag nahm der Hammer allen Ausdruck von Schmerz und Grauen von Todd Currys Gesicht. Der Junge lehnte sich zurück und lachte.
    Cardinal bewegte sich näher an den Wandschrank heran. »Warum erzählen Sie mir nicht, wie es dazu gekommen ist? Hat Eric Sie gezwungen, ihm zu helfen? War es das?«
    Die Frau stand auf. »Eric hat mich nie zu etwas gezwungen, was ich nicht selbst tun wollte. Eric liebte mich nämlich. Verstehen Sie? Eric liebte mich. Unsere Liebe war etwas Besonderes. Besser als alles, was man darüber in Büchern liest. Und sie war ganz real. Sie überstieg Raum und Zeit, wenn Sie verstehen, was ich meine … Nein, ich glaube nicht, dass Sie das verstehen.«
    »Dann erklären Sie es mir. Helfen Sie mir, es zu verstehen.«
    Sie hatte die richtige Schießhaltung eingenommen, die Knie leicht gebeugt, die linke Hand stützte die rechte. Sie zielte auf ihn.
    Cardinal bewegte sich noch näher an den Wandschrank. Er hob die Hände höher, um ihr zu zeigen, dass sie leer waren.
    Die Frau richtete die Pistole jetzt auf einen tieferen Punkt. Ihre Miene wirkte abwesend, so als sähe sie Cardinal nicht, auch nicht die Szene vor ihren Augen, eher so, als hinge sie einer Erinnerung nach. Dann wurden ihre Augen klar, und sie drückte ab.
    Die Kugel traf Cardinal direkt unter dem Nabel. Er sank nieder, als wollte er eine Kniebeuge machen. Noch einen Augenblick der Gnade, dann schien es ihm, als gingen seine Eingeweide in Flammen auf. Er krümmte sich und fiel auf die Seite.
    Die Frau machte zwei rasche Schritte und stellte sich neben ihn. Ihre Miene war weder grimmig, noch lächelte sie. »Wie schmeckt Ihnen das?«, fragte sie ruhig.
    Die Schranktür war nur einen Schritt entfernt, aber es hätten genauso gut zwanzig sein können. Die Pistole in der Hand, stand die Frau vor Cardinal, vermied es aber, in Reichweite seiner Hände oder Füße zu geraten. Cardinal dachte an die Beretta im Schrank, doch er kam nicht wieder hoch.
    »Wie schmeckt Ihnen das?«, fragte sie wieder. »Sagen Sie mir doch, wie Ihnen das schmeckt.«
    Cardinal hörte sich selbst weinen. Er erinnerte sich an ein Autowrack auf der Überführung. Ein Mann war dort, eingeklemmt in seinem Sitz, von einem Stück Aluminium in Bauchhöhe aufgespießt worden. Dieser Mann hatte genauso geweint.
    Blut rann ihm warm über die Hand. Er hielt sich den Bauch, als er wieder auf die Knie zu kommen versuchte. Die Frau trat einen Schritt zurück.
    Zwei Schritte bis zum Schrank. Zwei Schritte, dann den Arm ausstrecken, und er hätte die Beretta. Cardinal versuchte zu kriechen, doch sein Arm brach unter ihm weg.
    Die Frau kam wieder näher. Sie sah verkehrt herum auf ihn herab – ein perspektivischer Effekt, den sein vor Schmerz halb wahnsinniges Gehirn nicht auflösen konnte. »Das ist ein Bauchschuss«, sagte sie. »Mit einem Bauchschuss dauert es ewig, bis man stirbt. Und was sagen Sie dazu?«
    Sie hob erneut die Waffe und zielte wieder auf seinen Bauch.
    Cardinal stöhnte. »Nicht«, stammelte er und hob abwehrend die Hand.
    Diesmal hörte er den Schuss gar nicht. Die Kugel ging durch seine Hand und bohrte sich in seinen Bauch. Das Zimmer wurde erst weiß, dann kamen allmählich die Konturen wieder, wie bei einem Foto im Entwicklungsbad. Cardinal erinnerte sich nicht mehr, wo das Ding war, das er unbedingt erreichen wollte. Wonach hatte er eigentlich gesucht? Was war denn so wichtig gewesen?
    Die Frau sprach wieder, doch die Schmerzen waren so überwältigend, dass er ihre Worte nicht verstand. Noch vier? War es das, was sie sagte? Ich habe noch vier für Sie? Die Wörter reihten sich in seinem Geist aneinander, ohne einen Sinn zu ergeben. Noch vier. Sie sagt, sie hat noch vier von der gleichen
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