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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen
Autoren: Giles Blunt
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Zu zweit.«
    Während Cardinal die Neuigkeit verdaute, blieb es in der Leitung still. Er konnte Delorme atmen hören. Schließlich fragte er: »Was sagen die Datenbanken?«
    »Nichts. Bisher haben wir keinen Hinweis, wer der andere Typsein könnte. Es könnte jeder x-Beliebige sein. Ich habe schon Troy und Sutherland angerufen. Sie sagen, sie hätten Fraser nie mit irgendjemandem zusammen gesehen.«
    »Ja, dann kommen Sie doch zu mir herüber, um den Kram durchzusehen. Vielleicht finden wir ja was.«
    Delorme versprach, in ein paar Minuten loszufahren, und legte auf.
    Zu zweit, dachte Cardinal. Warum hatte er daran nicht früher gedacht? Aber warum eigentlich? Warum sollte man zwei gleichgestrickte perverse Charaktere erwarten? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass in Algonquin Bay zwei Mörder gleichzeitig ihr Unwesen trieben? Das war also der Grund, weshalb das Täterprofil der Mounties so unscharf erschien: Es war die Beschreibung zweier Täter, nicht eines einzigen. Er zog die Chaucer-Ausgabe aus Frasers Bücherstapel. Zu zweit. Im Geist ging er das gesamte Material durch und versuchte sich zu erinnern, ob es irgendwelche Hinweise gegeben hatte. Am Tatort hatte man keine anderen Fingerabdrücke und keine anderen Haare gefunden.
    Der Chaucer fühlte sich merkwürdig leicht an. Er blätterte darin. Jemand hatte mit einer Rasierklinge ungeschickt einen rechteckigen Hohlraum aus dem Buch herausgeschnitten. Ein Rechteck von achtzehn mal zehn Zentimetern. Und in diesem Rechteck, das mit Seidenpapier ausgepolstert war, hatte jemand eine gewöhnliche, unbeschriftete Videokassette versteckt. Cardinal nahm die Kassette vorsichtig an den Ecken und schob sie in seinen Videorekorder. Auf dem Bildschirm begann es zu schneien.
    Wahrscheinlich ist nichts drauf, sagte er sich, wahrscheinlich ist die Kassette leer. Oder es handelte sich um einen billigen Pornostreifen aus dem Versandhandel. Aber wozu dann dieser Aufwand mit dem Versteck? Cardinal griff nach der Fernbedienung, stellte sich, die Arme über der Brust gekreuzt, mitten ins Wohnzimmer und wartete, dass sich etwas Erkennbares zeigte. Der Bildschirm wurde schwarz.
    Einen Augenblick glaubte er, das Videoband sei von allein stehen geblieben, doch dann erschien ein schummriges Bild: eine Couch und dahinter ein dunkles Gemälde an der Wand. Cardinal erkannte das Gemälde. Er sah das Wohnzimmer der Familie Cowart, in dem Todd Curry ermordet worden war.
    Als hätte er sein Stichwort gehört, betrat Todd Curry die Szene. Er schlenderte langsam ins Bild und setzte sich auf die Couch. »Bin ich schon in der Show?«, fragte er jemanden außerhalb des Bildes.
    Der Ton war sogar noch schlechter als die Beleuchtung. Eine Stimme antwortete ihm, aber die Worte waren nicht zu verstehen. Scheinwerfer strahlten ihn an, er blinzelte ins grelle Licht. Nervös nahm er einen Schluck aus einer Bierflasche.
    »Todd Curry«, sagte Cardinal laut. Er hielt mit der Fernbedienung das Bild gerade in dem Augenblick an, als der Junge ihm mit der Bierflasche zuprostete. Der Junge stand wie ein Kaninchen gebannt im Scheinwerferlicht, während ringsum Dunkelheit herrschte.
    »Todd Curry«, wiederholte Cardinal. »Du armes Schwein.« Er erinnerte sich an die Leiche im Kohlenkeller, an die Jeans, die bis zu den Knien heruntergelassen waren. Wenn er doch nur die Stop-Taste drücken und die Zukunft dieses Jungen aufhalten könnte. Stattdessen drückte er nochmals auf Pause, und der Junge schlürfte sein Bier.
    Wieder war die blecherne Stimme aus dem Off zu hören. »Sag was«, befahl sie.
    Zum Spaß rülpste der Junge. »Na, wie findest du das?«
    Cardinal wollte die Lautstärke erhöhen, traf aber aus Versehen die Stummschaltung. Plötzlich gab es draußen einen Knall, Blech quietschte, und eine Hupe ertönte, als wäre jemand mit dem Kopf gegen das Lenkrad geprallt. Durchs Fenster sah er, dass ein kleines Auto gegen die Birken neben seiner Einfahrt gefahren war. Der Schaden schien weniger schlimm, als es sich angehört hatte.
    Er nahm sich nicht die Zeit, einen Mantel anzuziehen, sondern stürmte gleich nach draußen. Noch ehe er das Auto erreicht hatte, war eine Frau auf der Fahrerseite ausgestiegen und redete wirr. »Mehrere Männer. Helfen Sie mir, bitte.«
    »Fehlt Ihnen etwas? Können Sie gehen?«
    Die Frau legte eine Hand an den Kopf und drehte sich verwirrt hierhin und dorthin. »Männer. Es waren drei. Sie haben mich vergewaltigt. Sie sagten, sie würden mich umbringen.«
    Cardinal legte ihr
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