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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen
Autoren: Giles Blunt
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so rothaarig, wie er ist. Ich hätte nie gedacht, dass Sie beide Brüder sind.«
    Die Medikamente trübten sein Bewusstsein ein wie Tinte. Er fiel in einen schweren, traumbeladenen Schlaf und wachte mit einem freudigen Gefühl auf. Aber irgendwo versteckt in ihm lauerte noch immer eine Angst, ein Schatten, der im Nebel Gestalt annahm. Dann glitt er wieder in den Schlaf. Er träumte, dass Catherine das Krankenhaus verlassen habe und ihn hier, in seinem, besuchenkomme. Sie wachte wie ein Schutzengel über ihm, doch als er dann mitten in der Nacht aufwachte, saß niemand neben ihm. Nur das Fiepen der Überwachungsapparate und der pochende Schmerz in seinem Bauch. Vom anderen Ende des Korridors war ein Kichern zu hören.
    *
    »Aber dass es eine Frau sein würde, das hätte ich nie gedacht«, sagte Delorme zum wiederholten Mal. »Sicher. Jeder weiß, dass eines Tages die Situation eintreten kann, auf einen Menschen schießen zu müssen. Jeder von uns kann in die Lage kommen, schießen zu müssen, um ein Leben zu retten. Jeder weiß das. Aber, John, wie viele Polizisten erschießen eine Frau? Ich sage mir immer wieder, dass die Frau eine Mörderin war, und trotzdem fühle ich mich schlecht. Ich kann nicht schlafen und nicht essen.«
    Delorme sprach eine Weile über ihre Probleme, und er ließ sie gewähren; er war ja froh, dass sie hier war. Sie erzählte ihm, wer die Frau war und wo sie wohnte. Erzählte, wie man die Großmutter gefunden hatte, halb verhungert in ihrem Schlafzimmer im ersten Stock. Und erzählte, wie ihr erst da einfiel, wo sie Edie Soames schon einmal gesehen hatte – nämlich als sie der Spur mit der ausgeliehenen CD nachging. Den Tränen nahe, klagte sie, wenn sie nur ein klein wenig klüger gewesen wäre, hätte sie Edie Soames zu einer Vernehmung aufs Revier mitgenommen.
    Selbst in seinem benommenen Zustand erinnerte sich Cardinal daran, dass jene Spur nur hauchdünn gewesen war. Doch Delorme ließ sich nicht trösten: Man hätte Woodys Leben retten können, das Leben des Vaters eines kleinen Kindes.
    Cardinal erkundigte sich, was die Durchsuchung des Hauses von Edie Soames erbracht hatte. »Sie haben dort Katie Pine ermordet, während die Großmutter direkt im Zimmer über ihnen saß. Es ist das Haus, das wir vom Tonband kennen. Was mir alsErstes beim Eintreten auffiel, war die Uhr auf dem Kaminsims. Die tickte genauso wie die auf dem Tonband.«
    »Ehrlich? Ich wäre gern dabei gewesen.«
    Sie erzählte, was man alles gefunden hatte – eine Pistole, eine Liste und Edie Soames’ Tagebuch.
    »Ein Tagebuch. Das werde ich mir auch mal anschauen.«
    »Es ist seltsam«, sinnierte Delorme. »Ich meine, es ist seltsam, wie normal dieses Tagebuch ist. Es könnte jedem beliebigen Mädchen gehören – randvoll mit Dingen wie Kosmetik, Frisuren und wie verliebt sie in ihren Freund ist. Aber sie spricht darin auch über Billy LaBelle. Auch ihn haben die beiden umgebracht.«
    »Sagt sie, was sie mit seiner Leiche gemacht haben?«
    »Nein, aber wir haben noch etwas anderes gefunden. Einen Fotoapparat – und Bilder, die sie vor dem Haus aufgenommen haben, in dem Todd Curry umgebracht wurde. Ein weiteres mit Windigo Island im Hintergrund. Und das hier, in der Nähe des Speicherbeckens.« Sie holte das Foto hervor und zeigte es ihm: eine Aufnahme von Edie Soames, wie sie einen Schnee-Engel machte.
    Cardinal hatte Mühe, klar zu sehen.
    »Es ist nicht weit von der Stelle, wo man Woodys Leiche gefunden hat. Etwa einen halben Kilometer. Und zum Pumpenhaus ist es auch nicht weit.«
    »Woher wissen Sie das? Es könnte doch überall und nirgends sein.«
    »Das dachte ich anfangs auch. Aber achten Sie mal auf den Strommast in der Ecke.«
    »Ist da eine Nummer drauf? Es ist kaum zu erkennen.«
    »Es ist tatsächlich eine Nummer. Ontario Hydro hat uns den genauen Standort genannt.« Sie fasste ihn an der Schulter. »Ich glaube, dass sie dort Billy LaBelle begraben haben.«
    »Wie sollten gleich ein Grabungsteam dorthin schicken.«
    »Die Kollegen sind schon dort. Das ist meine nächste Station.«
    »Ach ja«, sagte Cardinal, mit der Müdigkeit kämpfend. »Ich habe ganz vergessen, was für eine gute Kriminalistin Sie sind.«
    Er drehte sich auf die Seite und sah den Teddybären mit der Polizeimütze. »Danke für den Bären, Lise.«
    »Den Bären habe ich Ihnen nicht geschenkt.«
    *
    Delorme kam später wieder. Vielleicht war es noch am selben Tag, vielleicht erst tags darauf, er wusste es nicht genau. Sie kam gerade von
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