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Gefaehrliche Gefuehle

Gefaehrliche Gefuehle

Titel: Gefaehrliche Gefuehle
Autoren: Hanna Dietz
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Aachen exmatrikuliert worden. Ohne Abschluss. Dreimal hatte er sich zum zweiten Staatsexamen angemeldet, dreimal war er nicht erschienen. Entweder er hatte einfach nicht gelernt oder er hatte Prüfungsangst. Ich legte den Beleg seines Scheiterns zur Seite.
    »Was meinte er denn eigentlich mit der Sache mit deinem Bruder?«, fragte Silvy.
    »Das, liebe Silvy, geht dich nichts an«, sagte ich abgelenkt. Ich konzentrierte mich mittlerweile auf das Dachfenster, das in drei Meter Höhe angebracht war. Es war ein altmodisches Kippfenster – und vielleicht der einzige Weg hier heraus.
    »Natürlich geht mich das was an! Ich muss doch wissen, warum ich hier gefangen gehalten werde.«
    Ich antwortete nicht, sondern suchte den Fensteröffner. Ich fand ihn neben dem Besen hinter der Badezimmertür, ein Stock mit Haken dran.
    »Viel wichtiger ist«, sagte ich. »Das wir hier rauskommen, bevor er wiederkommt. Ich will auf keinen Fall die Geisel von so einem Wahnsinnigen sein. Ach, übrigens«, sagte ich, während ich mit dem Haken nach dem Ring, an dem man das Fenster aufmachen konnte, angelte. »Vielen Dank, dass du ihn auf die Idee gebracht hast, meinen Vater zu erpressen. Das war wirklich eine wahre Glanzleistung von dir. Hast du auch nur irgendeine Vorstellung davon, was er mit uns beiden machen wird?«
    Endlich hatte ich den Ring getroffen und den Haken eingefädelt. Mit einer Drehung öffnete ich das Fenster. Ich schaute Silvy an, die ausnahmsweise mal nichts zu sagen hatte. »Ich sage dir, was er mit uns machen wird. Er wird uns als Geiseln nehmen, um zu fliehen. Oder er bringt uns um. Oder er macht beides. Und jetzt pack mal mit an.« Ich ging zum Bücherregal.
    »Du hast mir gar nichts zu sagen«, gab Silvy patzig zurück. »Was hast du denn bitte schön vor?«
    »Abhauen«, sagte ich.
    »Durch diese Dachluke da?«
    »Hast du eine bessere Idee?« Ich schmiss so viele Bücher raus, dass ich das Regal über den alten Teppichboden zerren konnte, und schob es unter das Fenster. »Halt mal«, sagte ich.
    »Wozu? Ich gehe da sowieso nicht rauf.«
    »Silvy. Du musst mitkommen!«
    »Da hoch? Willst du mich umbringen? Ja klar, das käme dir sicher gelegen. So fies, wie du bist.«
    »Raffst du denn gar nicht, wie gefährlich Wöbke ist? Wir müssen hier weg.«
    »Du vielleicht«, sagte Silvy. »Aber ich nicht. Ich weiß schon, wie ich David um den Finger wickle.«
    »Du bist echt bescheuert, Silvy«, sagte ich, stieg auf einen Stuhl und kletterte auf das schwankende Regal. Es war eines dieser billigen Kellerregale aus unbehandeltem Holz. Ohne die vielen Bücher und die Stütze der Wand wurde es nur von einer dünnen Metallverstrebung an der Rückseite stabilisiert. Ich stieg auf das unterste Regalbrett, dann kletterte ich über das zweite langsam höher. Das Regal schwankte wie der Kopf eines Wackeldackels. Als ich oben angekommen war, hockte ich mich hin. Richtete mich langsam auf und versuchte, die Beine ruhig zu halten, um das Zittern des windschiefen Möbels nicht zu verstärken. Dann packte ich links und rechts den Fensterrahmen, stieß mich ab und stemmte mich hoch, bis ich mich mit dem Oberkörper auf das Dach legen konnte.
    Schlechte Idee, Sander, gaaanz schlechte Idee. Kalter Wind wehte mir um die Nase. Der Himmel war bewölkt, und wenn das Dach nur ein bisschen höher gewesen wäre, hätte ich die Wolken berühren können. So kam es mir vor. Verkehrslärm drang zu mir hoch. Ungefähr sechs Meter unter mir befand sich die Dachrinne. Dahinter ging es jäh nach unten in die Straßenschlucht. Ich musste mich auf die andere Seite konzentrieren und drehte mich um. Bis zum Dachfirst waren es ungefähr fünf Meter. Und ich entdeckte etwas, was meine Hoffnung schürte. »Das Haus schließt direkt an das Nebengebäude an, das ein Flachdach hat. Da sehe ich auch eine Tür«, informierte ich Silvy. »Wenn wir es bis dahin schaffen, sind wir gerettet.«
    »Ich gehe da nicht hoch«, wiederholte sie. Ich ließ mich noch einmal nach unten gleiten, um Silvy ins Gesicht zu sehen. »Du musst mitkommen«, sagte ich. »David Wöbke ist ein Mörder und ein Psychopath.«
    »Ach, so wild ist das nicht«, behauptete Silvy. »Mit dem werde ich schon fertig.«
    »Komm mit«, sagte ich noch einmal mit Nachdruck.
    »Mit dir auf gar keinen Fall«, sagte Silvy. »Hau ruhig ab. Ist sowieso besser. Alleine werde ich David schon zur Vernunft bringen.« Sie räusperte sich und verkündete: »Ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht ablehnen
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