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Gefaehrliche Gefuehle

Gefaehrliche Gefuehle

Titel: Gefaehrliche Gefuehle
Autoren: Hanna Dietz
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kann.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Sobald ich an ein Telefon komme, hole ich Hilfe«, sagte ich und schob mich weiter aus dem Fenster raus. Mit jedem Zentimeter kam ich dem Abgrund hinter der Dachrinne näher. Und mit jeder Sekunde sah er tiefer aus. Mir wurde mulmig. Oder besser gesagt: Ich hatte total Schiss. Für diese Höhen war der Mensch nicht gemacht, so viel war mal klar. Und ganz besonders ich nicht. Links war eine Antenne. Die bekam ich zu packen, ich klammerte mich daran fest und zog mich ganz aufs Dach. Ein paar Tauben glotzten mich an wie ein Alien.
    »Guck nicht nach unten«, sprach ich mir selbst Mut zu, als ich einen Schritt nach oben machte. Ich duckte mich weit nach unten, um meinen Schwerpunkt so tief wie möglich zu halten. Kroch einen weiteren Schritt nach oben. Suchte mit den Händen nach Halt auf den kalten Dachziegeln. Noch einen Meter, dann war da ein Schornstein, an dem ich mich festhalten konnte. Zwei Schritte, dann würde ich ihn erreichen. Von da war es nicht mehr weit. Dann müsste ich nur noch über den Dachfirst balancieren. Das wäre viel einfacher als auf meiner Slackline. Der First war ja zumindest fest. Und breiter. Und in ungefähr dreißig Meter Höhe. Shit. Ich musste noch mal durchatmen und die Augen schließen, um die Wellen von Panik in meinem Bauch in den Griff zu kriegen. Ich würde es schaffen. Es war nicht mehr weit. Gerade setzte ich zum nächsten Schritt an, da hörte ich plötzlich die wütende Stimme von David Wöbke. »Wo ist die andere? Wo ist Natascha?«
    »Die ist zum Fenster raus«, sagte Silvy. »Ich wollte sie davon abhalten, aber sie hat mich … geschlagen. Sie ist wirklich gefährlich, David. Aber ich werde dir helfen. Auf mich kannst du dich …«
    »Scheiße. Scheißnutte!«, schrie er außer sich.
    »Die wird eh runterfallen«, sagte Silvy. »Vergiss sie.«
    Ich hörte etwas klirren. »David, beruhig dich. Alles wird gut«, setzte Silvy noch mal an. »Ich bin die Tochter der Klinikchefin. Ich werde dir helf… kletter besser nicht da rauf, das ist wackelig!«, rief sie. »Warte, ich halte das Regal fest.«
    Mist! Ich kauerte mich hinter den Schornstein und hoffte, dass er mich nicht sehen würde. Endlose Sekunden verstrichen. Ich hörte Wöbke schnaufen und dann einen grollenden Schrei. »Die ist weg! Scheiße!«
    Dann polterte etwas. Die Stimmen wurden wieder leiser. Wöbke war offensichtlich ins Zimmer zurückgekehrt.
    »Lass uns mal überlegen«, hörte ich Silvy säuseln, »was wir jetzt am besten machen. Ich würde vorschlagen, dass …«
    »Halt endlich die Schnauze!«, schrie Wöbke außer sich. »Du machst einen total irre mit deinem ganzen Scheißgelaber!«
    »Ich versuche doch nur, dir zu …« KLATSCH!
    »Au!«, heulte Silvy auf. »Was soll das? Was hast du vor, David?« Dann hörte ich nur noch komische Geräusche von Silvy, gedämpft, als ob er ihr einen Knebel verpasst hätte.
    Scheiße.
    Diese superdämliche intrigante biestige Ätzkröte Silvy.
    Ich ließ mich über die Ziegel gleiten bis zum Fenster und lugte vorsichtig über den Rahmen. Wöbke hatte mir den Rücken zugekehrt. Silvy saß auf dem Sessel. Er hatte ihr etwas in den Mund gestopft und knotete nun eine Krawatte um Silvys Kopf. »Jetzt hältst du endlich mal deine Schnauze, du unerträgliche Schwätzbacke, da kann doch kein vernünftiger Mensch nachdenken …« David Wöbke fluchte weiter vor sich hin. Die Spritze, die er vorhin die ganze Zeit bei sich gehabt hatte, lag auf einem kleinen Schränkchen neben der Tür, in dem auch der Bowlingpokal drin war. Ich musste schnell sein. Verdammt schnell. Wöbke holte eine zweite Krawatte aus dem Schrank, mit der er offensichtlich Silvy fesseln wollte. Ich stemmte beide Hände links und rechts auf den Rahmen und ließ mich langsam durch das Fenster hinab (Klimmzüge waren nichts dagegen!), bis ich das oberste Regalbrett berührte. Ich stieß mich von der Decke ab, das Regal begann zu kippen. In Richtung Wöbke. Ich ließ mich von ihm tragen wie von einem Surfbrett, doch sobald es sich zu stark neigte, sprang ich seitlich ab und kam auf dem Boden auf.
    »Was …?«, rief Wöbke erstaunt, der sich umdrehte. Silvy glotzte ebenfalls dumm aus der Wäsche. Ich fackelte nicht lang, sondern riss das Schränkchen auf und holte mit einer einzigen Bewegung den Pokal heraus und schleuderte ihn wie eine olympische Hammerwerferin David Wöbke entgegen. Bevor er reagieren konnte, knallte ihm der Kegel seitlich an die Schläfe, er verdrehte die Augen
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