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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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und die Verhängung gegenüber Heranwachsenden explizit ausgeschlossen.
    Gerhard Schröders Forderung
    Nach der Strafrechtsreform von 1969 führte die Sicherungsverwahrung ein vergleichsweise bescheidenes Dasein. Erst in den Neunzigerjahren, ausgelöst durch einige spektakuläre Kriminalfälle, wie beispielsweise der des belgischen Mördersund Sexualstraftäters Marc Dutroux, änderte sich das kriminalpolitische Klima in Deutschland. „Volkes Stimme“ auf den Punkt brachte Kanzler Gerhard Schröder 1998 mit seiner vielzitierten Forderung: „Sexualstraftäter – Wegsperren für immer!“
    Die zahlenmäßige Entwicklung der gefährlichen Delikte zwischen 1969 und 2010 stellt sich allerdings so dar:
    Entwicklung der Gewaltkriminalität, Spiess, Gerhard (Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung 9 )
    Die Zahl der Sexualdelikte hat nicht zugenommen, im Gegenteil: Gerade die Zahl schwerster Sexualdelikte ist seit Langem und kontinuierlich rückläufig.
    Deutlich gesunken ist die Zahl der Opfer von Sexualmorden unter vierzehn Jahren. In der Zeit von 1971 bis 1980 wurden 84 junge Menschen unter vierzehn Jahren missbraucht und getötet. In den Achtzigerjahren wurden noch 48 Opfer registriert, in den Neunzigern waren es 35 Kinder, und von 2000 bis 2009 sank die Zahl auf 28 Fälle.

    Entwicklung registrierter Sexualmorde an Kindern (Spiess a.a. O.)
    Doch gänzlich unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung gab das „Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“, das am 31. Januar 1998 in Kraft trat, den Startschuss für eine beispiellose Gesetzgebungswelle. In der Begründung für die Gesetzesinitiative der Fraktionen von CDU und FDP hieß es in der Bundestagsdrucksache 13 / 7163 unter Punkt A. „Problem“ lapidar: „Die in letzter Zeit bekanntgewordenen schweren Straftaten, insbesondere an Kindern begangene Sexualdelikte, haben gezeigt, dass der Schutz der Bevölkerung vor Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten verbessert werden muss.“
    Die tatsächlichen Zahlen dürften den Abgeordneten wohl nicht bekannt gewesen sein, anders lässt sich eine solche Aussage kaum erklären. Konsequenterweise erhielt dieses Gesetz in Fachkreisen denn auch den Alias-Namen „Sexualstraftäterbekämpfungsgesetz“. Berichte der Medien, für die „Sex and Crime“ nach wie vor auflagensteigernde Themen sind, steigerten die dämonisierende Wirkung des Gesetzes.
    Die wesentlichsten Änderungen, die im Rahmen des neuen Gesetzes festgelegt wurden, waren:
Die Zehnjahresfrist als Höchstgrenze für die Sicherungsverwahrung entfällt.
Die Zehnjahresfrist wird auch rückwirkend für bereits Verurteilte aufgehoben.
Es gibt die Möglichkeit der Anordnung auch bei Ersttätern.
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund von Erkenntnissen während der Haft wird möglich.
Das urteilende Gericht kann eine vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil festlegen.
Die Anordnung für nach Jugendrecht Verurteilte ist wieder möglich.
    Derart unübersichtlich geriet die Fülle der gesetzlichen Änderungen, dass Jörg Kinzig, der seit Jahren zum Thema Sicherungsverwahrung forscht, resümiert, „dass ein eigenes, nur noch Eingeweihten in glücklichen Stunden verständliches Rechtsgebiet entstanden (ist): das der Sicherungsverwahrung“. 10 Hinweise aus Wissenschaft und Praxis, die den Nutzen der Regelungen bezweifelten und Bedenken aus verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Überlegungen äußerten, wurden ignoriert.
    2004 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem grundsätzlichen Urteil im Wesentlichen sein Plazet zu den Regelungen des Gesetzes von 1998 gegeben und damit den Weg für die nachträgliche Sicherungsverwahrung eröffnet. Sie darf seitdem bereits bei Ersttätern angeordnet werden; eine Regelung, die sogar auf Jugendliche Anwendung finden kann.
    Die gesetzlichen Änderungen durch die Strafrechtsform und das Gesetz von 1998 haben zur Folge, dass nach einer Abnahme der Anordnungen der Sicherheitsverwahrung diese wieder zunimmt und sich auf die Gruppe der Sexualdelikte konzentriert.
    Das Ab und Auf der Anordnung von Sicherungsverwahrung zeigt die folgende Abbildung:
    Anordnung von Sicherungsverwahrung im Bundesgebiet (Michael Alex 2010)
    Kriminologische Sicht
    Professor Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Hannover, äußert sich zur Frage der Häufigkeit und Ursache von Sexualmorden an Kindern so: „Anfang der
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