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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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miteinander in Kontakt und in Beziehung zu treten. Diese, ich will es Beziehungspflege nennen, fällt dem Gefängnis schwer, denn nach wie vor handelt es sich um eine Organisation, deren Struktur sich am ehesten noch am militärischen Gehorsamsgedanken orientiert.
    Trotzdem ist es mir als „Knastsozialarbeiter“ oft gelungen, den Kontakt zu den Gefangenen aufzubauen und eine Arbeitsbeziehung herzustellen, geprägt von gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Ein Indiz hierfür war die geringe Missbrauchsquote bei Maßnahmen, die ich mit Inhaftierten außerhalb der Gefängnismauern durchführen konnte. Dabei handelte es sich z. B. um mehrtägige Seminare erlebnispädagogischer Ausprägung, Meditationstage, Familienseminare oder auch Väter-Kinder-Tage. Die Gefangenen akzeptierten einRahmenprogramm, sicherten ihre Mitarbeit und korrekte Rückkehr in das Gefängnis zu und erhielten in der Regel auf diesem Weg ihre ersten Lockerungen aus dem Strafvollzug. Nicht selten früher, als sie sie sonst hätten erwarten können. In seiner übermäßig verrechtlichten Absicherungstendenz hat der Strafvollzug es inzwischen erreicht, dass Inhaftierte oft erst zeigen müssen, dass sie solcher Maßnahmen würdig sind, bevor sie ihnen bewilligt werden. „Heilung“ als Voraussetzung für Behandlung?
    Bewährungshilfe – eine Alternative
    Nach siebzehn Jahren als Sozialarbeiter im Gefängnis wollte ich eine andere Perspektive einnehmen und wechselte in die Bewährungshilfe. Bis Ende 2006 stand die Bewährungshilfe in Baden-Württemberg in der Trägerschaft des Justizministeriums und war den jeweiligen Landgerichten angegliedert. Seit 2007 ist diese Aufgabe an die NEUSTART gGmbH als privater Organisation übertragen. 3
    Die grundlegende Vorgabe für Bewährungshelfer ist § 56 d, Absatz 3 des Strafgesetzbuchs, wo es heißt: „Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer steht der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite. Sie oder er überwacht im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sowie der Anerbieten und Zusagen und berichtet über die Lebensführung der verurteilten Person in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten oder Zusagen teilt die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer dem Gericht mit.“
    Auch wenn es sich etwas antiquiert liest, mir gefällt die Formulierung des „zur Seite stehen“. Setzt das doch voraus, dass wir in Kontakt treten und einen Weg miteinander gehen. Für den Bewährungshelfer bedeutet das zunächst, den Verurteilten erkennen zu lassen, dass er ihm zur Seite steht und ihm nichtvorrangig „im Genick sitzt“, wie es mancher befürchten mag. Meist gelingt dieser Weg mit den Klienten erfolgreich: In über achtzig Prozent der Fälle wird die Bewährung vom Gericht mit dem Erlass der Strafe beendet. Und dies gilt auch für Verurteilte, die der Führungsaufsicht unterstellt sind und für die es im § 68a, Absatz 2, Strafgesetzbuch heißt: „Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshelfer und die Aufsichtsstelle stehen im Einvernehmen miteinander der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite.“
    Unter Führungsaufsicht stehen Verurteilte in der Regel nach der vollständigen Verbüßung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren oder nach der Entlassung aus einer Maßregel der Besserung und Sicherung, zu denen die Sicherungsverwahrung zählt.
    Die Entlassung einiger Männer aus der Sicherungsverwahrung aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 hat Politik, Medien, Justiz, Polizei und in der Folge eine Vielzahl der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in einer Art und Weise beschäftigt, wie zuvor lange kein juristisches Thema. Dem Urteil war eine Welle gesetzgeberischer Versuche vorausgegangen, mit denen Sicherheit vor Sexualstraftätern geschaffen werden sollte, was letztlich vor allem zu einer Dämonisierung einer kleinen Gruppe von Straftätern führte.
    Ein Gericht in Straßburg fordert heraus
    Seit September 2010 betreue ich als Bewährungshelfer fünf dieser ehemals Sicherungsverwahrten. Manches, was ich in dieser Zeit erlebte, hätte ich auch nach dreißig Jahren beruflicher Arbeit mit verurteilten Menschen nicht für möglich gehalten. Es beschäftigen mich seither Fragen wie:
Respektieren wir in Deutschland die Menschenrechte?
Wie viel Risiko kann und muss unsere Gesellschaft ertragen?
Gilt unser
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