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Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman

Titel: Ich will endlich fliegen, so einfach ist das - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Es gibt feste, unausgesprochene Regeln. Dinge, die man einfach nicht tut.
    Man kommt neu in eine Klasse, zum Beispiel. Ich wüsste genau, wie ich es machen würde. Ich würde frühzeitig den Klassenraum suchen und mich im Hintergrund halten, wenn die Schüler eintrudeln. Um die Lage zu peilen und um zu sehen, wie sie sich verhalten. Eventuell würde ich die Ankunft des Lehrers abwarten, ehe ich aus der Deckung komme. Dann würde ich jemanden, den ich mir vorher ausgeguckt habe, nicht zu leise, aber auch nicht zu laut fragen, ob das die richtige Klasse ist, und mit den letzten das Klassenzimmer betreten und mir einen Überblick verschaffen, welche Plätze frei sind und wo ich mich hinsetzen kann. Vielleicht würde ich auch warten, bis der Lehrer mir einen Platz zuweist, damit mir nachher niemand vorwerfen kann, ich hätte jemandem den Stammplatz weggenommen. Hoffentlich würde der Lehrer mich nicht auffordern, nach vorne zu kommen, um meinen Namen an die Tafel zu schreiben oder sonst irgendwie die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Es geht darum, nicht zu sehr aufzufallen, aber auch nicht ganz unsichtbar zu sein. Irgendwas genau dazwischen. Man muss sich einordnen und mit den anderen verschmelzen.
    Genau das tut Silja nicht. Silja macht das ganz anders. Silja verhält sich in so ziemlich allem genau gegenteilig.
    Es ist der dritte Tag nach den Sommerferien in der Neunten. Die Sonne schwappt flirrend über die Stadt und das Wasser an unserer Badestelle ist lauwarm. Der Sommer ist noch lange nicht vorbei, das Wetter schert sich einen feuchten Kehricht darum, dass die Schule wieder angefangen hat. Trotzdem ist es irgendwie schön, zurück zu sein. Ich bin garantiert nicht die Einzige, die das findet, auch wenn das keiner zugeben würde. Ich natürlich auch nicht. Wir ächzen und stöhnen und jammern, dass die Sommerferien schon vorbei sind, nörgeln über das frühe Aufstehen und die drohenden Tests. Auch das gehört dazu. Aber trotzdem. Irgendwie ist es schön, die anderen endlich wieder zu sehen.
    Tonja und ich waren vor dem Wochenende in der Klippothek , und obwohl ich das ganze Wochenende Zeit hatte, mich daran zu gewöhnen, muss ich sie immer wieder angucken. Mit der kakaobraunen Kurzhaarfrisur sieht sie viel erwachsener aus. Eine ziemlich krasse Entscheidung, muss ich sagen. Tonja hat nämlich naturblondes, sanft gewelltes Haar, für das andere alles geben würden. Und das schneidet sie einfach ab und färbt es dunkelbraun! Meine Haare sind auch eine Ecke kürzer als vorher, im Nacken raspelkurz, ich spüre jeden Windhauch. Meine Finger reagieren immer noch überrascht auf das seltsame Gefühl, wenn ich meine nicht mehr vorhandenen langen Haare nach hinten streichen will, eine Geste aus alter Gewohnheit, die jetzt völlig sinnlos ist, weil die Haare sofort in ihre Ausgangsposition zurückrutschen, zwei Spitzen, die nur noch wenig bis unter die Kinnlinie reichen. Tonja fand, ich müsste einen Pony haben, aber das wäre mir komisch vorgekommen. Ich hab noch nie Pony getragen. Wir haben uns also auf einen Kompromiss geeinigt mit ein paar ponyähnlichen Fransen in der Stirn. Damit kann ich leben.
    Nachdem wir verkochte Petersilienkartoffeln und fettige Grützwurst in uns reingezwungen haben, hocken wir auf der Rückenlehne der Bank vor dem lang gestreckten Oberstufengebäude und schwitzen in der Sonne. Bestimmt wäre es im Schatten viel angenehmer, aber man muss schließlich die letzten Chancen nutzen, noch ein bisschen brauner zu werden. Ellen und Madeleine gesellen sich zu uns, später auch noch Oskar, Nils und Lukas. Es wird viel gelacht und erzählt. Ich schaue rüber zum Mittelstufengebäude. Ein paar Jungs werfen mit einem Ball auf den Basketballkorb an der Backsteinwand. Antons Mitschüler. Aber er sollte dort sein. Er sollte definitiv dort mit seinen Kumpels Basketball spielen, so dass ich ihn von hier aus sehen kann. Er steht vor der Wand, in Jeans und T-Shirt, lang und schlaksig, so was zwischen Kind und Teenager. Das Haar fällt ihm schräg über Stirn und Augen. Und er hat Sommersprossen und lacht, als der Ball neben ihm gegen die Mauer prallt.
    »Was macht ihr heute Nachmittag?«, fragt Lukas.
    Die Frage ist an Tonja gerichtet, aber Nils sieht mich an und mir wird ganz warm. Tonja sieht mich auch an, und ich ziehe die Augenbraue hoch, um zu signalisieren, dass ich offen für Vorschläge bin.
    »Baden?«, schlägt Tonja vor und ich nicke.
    »Ich bring was zu futtern mit«, sagt Nils. »Dann können wir zu
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