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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Autoren: Peter Asprion
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Sozialstaatsprinzip denn auch für den Umgang mit Straftätern?
Was sollen wir mit diesen Menschen tun und was können wir tun?
    Neben der Frage nach dem Leid der Opfer ist auch die Frage nach dem Leid der Täter zu stellen. Als Konsequenz ihrer Taten erfahren sie „Leid“, in Form von Freiheitsentzug und beschämenden, stigmatisierenden Behandlungen.
    Ich bezweifle, dass es eine Welt ohne Leid geben kann. Leid gehört zum menschlichen Leben. Indem ich akzeptiere, dass es Verbrechen gibt, ebenso wie Tod, Krankheit, Verletzungen, und dass dies alles zur menschlichen Natur gehört, ohne einen Satan oder sonst das „Böse“ zu bemühen, ermögliche ich einen rationalen und mitfühlenden Umgang mit den Betroffenen. Dies gilt auch für diejenigen, die anderen Schlimmes antun. Mediatorisch verstanden, ist dies eine allparteiliche Position.
    Die kühle Verrechtlichung des Strafvollzuges will ich nicht als vom Schicksal vorgezeichnet akzeptieren; denn hier wird mit rationalen Begründungen Leid geschaffen und, oft verborgen, Vergeltung gesucht. Ich hingegen wünsche mir wieder mehr vom Geist der Aufklärung. Cesare Beccaria, der große italienische Aufklärer, hat wesentliche Erkenntnisse aus seinen Beobachtungen in Gefängnissen gewonnen und Schlüsse gezogen, die er in seinem Hauptwerk darstellte. 4 Absichtliches Zufügen von Leid, im staatlichen Auftrag und mit vordergründig rationalen Begründungen, empört mich. Ich bin überzeugt, dass hier die Grundregeln der Menschenrechtskonvention den Einzelnen vor dem Staat und seinen ausführenden Organen schützen müssen.
    Meine Forderung, dass der Staat kein Leid zufügen darf, rechtfertigt für mich den Gedanken der Abschaffung der Gefängnisse. Die meisten Insassen haben geringfügige Straftaten begangen; der Großteil sitzt wegen Eigentumsdelikten im eherkleineren Umfang, viele wegen selbstschädigender Drogendelikte. Ein mögliches Konzept habe ich an früherer Stelle skizziert: Mein Vorschlag war, die Gefängnisse aufzulösen. Eine Forderung, die den Menschen jedoch Angst bereitet, weshalb in einem ersten Schritt diejenigen entlassen werden könnten, die Eigentumsdelikte begangen haben, ohne andere körperlich anzugreifen oder zu verletzen. Die 500 „gefährlichsten, schlimmsten, bösesten“ werden noch festgehalten, aber nicht in einem Gefängnis mit dem Ziel der Bestrafung oder Besserung, sondern unter angenehmen Bedingungen. Man spricht mit ihnen, beobachtet sie und versucht, Erkenntnisse aus ihren Erfahrungen zu gewinnen. Wie sind sie geworden, was sie geworden sind? Und wenn ein Gericht den 501. verurteilt, der festgehalten werden soll, muss erst entschieden werden, welcher von den 500 bereits Festgehaltenen entlassen wird. 5

Wir schaffen uns unsere Dämonen
    „Es ist richtig,
    wenn Politiker immer wieder behaupten:
    Der Mensch ist Mittelpunkt.

    Falsch ist nur die Schreibweise:
    Der Mensch ist Mittel. Punkt.“

    Dieter Hildebrandt

    Am 1. Januar 2009 wurde die Sicherungsverwahrung 75 Jahre alt. Es sollte ein aufregendes Jubiläumsjahr für diese Maßregel der Besserung und Sicherung werden. Zum einen für die Verwahrten selbst, zum anderen für die Verantwortlichen in Justiz und Politik. Je nach Sichtweise handelt es sich um die Geschichte der Eliminierung von Bestien zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger oder um eine irrationale Dämonisierung einer kleinen Gruppe von Menschen.
    Säuberung der Volksgemeinschaft
    Am 1. Januar 1934 trat das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung“, üblicherweise als Gewohnheitsverbrechergesetz bezeichnet, in Kraft. Die Nationalsozialisten hatten Vorüberlegungen aus der Weimarer Zeit aufgegriffen, die auf den Strafrechtler Franz von Liszt 6 zurückgehen. Von Liszt hatte eine Abkehr vom Vergeltungsgedanken hin zu einer Resozialisierung der Täter, zu einer Verbesserung der Kriminalprävention und zur Integration von Straftätern gefordert. Dabei ging er von einem kleinen Kreis von Straftätern aus, die er als unverbesserliche Hangtäter zu erkennen glaubte, die dauerhaft verwahrt sein sollten.
    Franz von Liszt, der 1919 verstarb, gilt als Begründer der spezialpräventiven Straftheorie. Seine Grundgedanken waren Meilensteine einer fortschrittlichen Kriminalpolitik und sind heute noch gültig. Glücklicherweise musste er nicht mehr erleben, was die Nationalsozialisten aus seinem Konzept machten, denen Straftäter lediglich als Mittel zum Zweck galten; sie
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