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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah
Autoren: C. Bertelsmann
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selbst. Abbie war bereits auf den Rücksitz von Sanjays Wagen geklettert und saß dort, in die Ecke gekauert, den Kopf gesenkt.
    »Was hast du getan, du Arschloch?«, schnauzte Sanjay und wollte auf Tom losgehen, doch Dee zog ihn weg.
    »Fahr einfach los«, sagte sie und kletterte nach hinten neben Abbie. »Wir bringen sie nach Hause.«
    »Nein«, sagte Abbie leise. »Nicht nach Hause. Ich kann nicht nach Hause.«
    »Doch, das kannst du«, sagte Dee. »Ganz gleich was geschehen ist, deine Mutter wird dir helfen. Sie wird wissen …«
    »Das kann sie nicht«, sagte Abbie mit erstickter Stimme, gepresst, so als versuchte sie zu verhindern, dass sie laut losschrie. »Sie kann mir nicht helfen. Niemand kann das. Ich bin schwanger. Ich glaube, ich bin schwanger.«

    »Schwanger?«, sagte Dee und versuchte, diese Information mit dem in Einklang zu bringen, was sie eben gehört und gesehen hatte, und es schien nicht recht zu passen. »Und Tom sagt, dass er es nicht haben will, oder was?«
    » Ich will es nicht haben«, sagte Abbie und fing an zu weinen. »Tom weiß noch gar nichts. Ich hab’s ihm nicht gesagt. Weil er da drin war mit Kerry und Paige und Leo und sie haben - ich will es nicht. Ich will sein Baby nicht. Ich will ihn nicht. Wie konnte er so etwas tun? Wie konnte er nur?«
    Jeder Versuch der Zurückhaltung war vergebens, Abbies Stimme hatte sich mittlerweile zu einem schrillen Kreischen erhoben, während sie das Fenster herunterkurbelte, sich den Ring vom Finger zog und ihn auf die Straße hinauswarf. Sie ließ das Fenster offen und hielt den Kopf zur Hälfte hinaus, während die eiskalte Luft durch das Auto pfiff.
    »Hey«, sagte Dee und versuchte, sie zurückzuziehen.
    Aber es hatte keinen Sinn. Abbies Arme und Beine waren ganz steif wie die eines Kleinkindes, das einen Wutanfall hat. Sie stöhnte, weinte und wiederholte wieder und wieder, was Tom getan hatte.
    »Schau auf die Straße«, wies Dee Sanjay an, als dessen Blicke in den Rückspiegel sich häuften.
    Zuerst hatte Dee gar nicht recht verstanden, was Abbie da redete. Und nun - nun da alles klarer wurde - verursachte es ihr Übelkeit. Wie schlimm musste es also für Abbie gewesen sein? So direkt in so was reinzuplatzen?
Eine Szene direkt aus einer schmierigen Pornozeitschrift? Und mittendrin der eigene Freund, der Vater ihres Babys.
    »Er hat gesagt, so was machen heutzutage alle«, sagte Abbie gerade zum ungefähr achten Mal. »Aber das stimmt doch nicht, oder?«
    »Nein«, sagte Dee. »Nein, das stimmt nicht. Es ist Toms Entscheidung, denke ich, aber es muss nicht deine sein.«
    Das Auto war inzwischen vor einem Haus stehen geblieben. Modern, einzeln stehend. Vermutlich das von Abbie. Dee war noch nie zuvor bei Abbie gewesen. Sanjay war ausgestiegen und hatte die Autotür für Abbie geöffnet, doch die bewegte sich nicht. Sie saß einfach nur da und schüttelte den Kopf, sodass Dee schließlich ausstieg, zum Haus hinüberging und auf den Klingelknopf drückte.
    Abbies Mutter erschien an der Tür.
    »Äh, ich bin eine Freundin von Abbie«, setzte Dee an und schaute zurück zum Wagen.
    »Ist etwas passiert?«, fragte Abbies Mutter, und ihr Gesicht fiel beim Sprechen förmlich in sich zusammen. »Hatte sie einen Unfall?«
    »Nein, keinen Unfall«, sagte Dee eilig. »Es geht ihr gut. Ihr fehlt nichts.«
    Bis sie den Weg hinuntergegangen waren, hatte Sanjay es geschafft, Abbie aus dem Wagen zu hieven. Ihre Mutter eilte auf sie zu, nahm sie in die Arme, hielt sie fest und sprach mit ihr, während Dee danebenstand und gebannt,
ja beinahe wie verzaubert, zusah und zuhörte. Was auch immer Abbie in den letzten paar Monaten zu ihrer Mutter gesagt hatte, was immer sie getan und wie sehr sie sie auch verletzt haben mochte, es war alles vergeben und vergessen. Jedes Wort, jede Geste von Abbies Mutter drückten vollkommene, bedingungslose Liebe aus, so sehr, dass Dee Abbie fast beneidete, während ihre Mutter sie in Richtung Haus bugsierte.
    »Vielen Dank«, sagte Abbies Mutter und wandte sich plötzlich noch einmal zu ihnen um. »Danke, dass ihr sie nach Hause gebracht habt.«
    Dee merkte, dass sie damit entlassen waren. Nicht auf unfreundliche Weise, aber eindeutig entlassen. Sie warf einen Blick zu Sanjay hinüber, dem es noch schwerer zu fallen schien, sich loszureißen, aber im Gegensatz zu Dee schaute er nicht auf Abbies Mutter, sondern auf Abbie.
    Auf der weitgehend schweigsamen Fahrt nach Hause fragte Sanjay: »Erzählen wir den anderen davon? Hazel oder
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