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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah
Autoren: C. Bertelsmann
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gedacht hatte.
    Sie ging wieder in Richtung Tür, klopfte, drückte sie auf und starrte ungläubig auf den Anblick, der sich ihr bot.
    »Oh mein Gott, Abbie!«, hörte sie Tom über den Klang ihres eigenen Aufschreis hinweg sagen.
    Ein Schrei, der gar nicht mehr aufhörte, während sie die Schlüssel fallen ließ und durch den engen Flur zurückrannte, die Treppe hinunter in den vierten Stock, wo sie sich nicht die Zeit nahm, auf den Aufzug zu warten. Mehr Treppen, an der Rezeption vorbei nach draußen, wobei sie in ihrer Eile fast noch ein Gästepaar über den Haufen gerannt hätte. Noch immer liefen ihr die Tränen übers Gesicht und sie rannte, rutschte auf der eisigen Auffahrt aus, schlug sich das Knie auf, fühlte kaum etwas, kümmerte sich kaum darum, stand einfach auf und rannte weiter - wohin?
    Sie blieb stehen, holte ihr Handy aus der Tasche, ihre Finger konnten kaum die Tasten drücken. Wen sollte sie überhaupt anrufen? Sie wusste es nicht. Sie scrollte durch
die Nummern in ihrem Telefonbuch, während sie die ganze Zeit damit kämpfte, die Bilder aus ihrem Kopf zu verdrängen. Die Bilder aus diesem Zimmer. Was sie gesehen hatte. Aber sie konnte es nicht. Das Telefon bebte in ihrer zitternden Hand, die Auffahrt drehte sich, ihr wurde übel, schwindelig, bis sie nicht einmal mehr stehen konnte. Sie ließ sich auf das kalte, nasse Gras am Straßenrand fallen.
    »Du spielst weit außerhalb deiner Liga, Kleine.«
    War es das? War es das, wovor Paige versucht hatte, sie zu warnen? Etwas, das sie nie geglaubt - sich kaum hätte vorstellen können.
    »Hallo? Abbie?«
    Eine leise Stimme ertönte aus ihrem Telefon. Sie hatte jemanden angerufen. Aus Versehen. Es spielte keine Rolle. Jemand, irgendjemand, jeder war jetzt gut genug.
    »Komm und hol mich«, brüllte sie in ihr Handy. »Bitte. Hol mich hier weg.«
     
    Dee und Scott waren fast wieder zu Hause, als ein Wagen neben ihnen hielt. Dee wandte sich um und sah, wie Sanjay sich herüberlehnte und die Beifahrertür öffnete. Was wollte er denn jetzt hier? Er sollte doch in der Schule sein und mit seiner Band proben.
    »Kommt Scott alleine klar?«, fragte Sanjay und schaute zum Haus von Dees Großeltern hinüber.
    »Ja«, sagte Dee. »Ich bring ihn nur schnell rein. Gran müsste zu Hause sein. Warum? Was ist passiert?«
    »Beeil dich!« Mehr sagte Sanjay nicht.

    Dee schubste Scott fast ins Haus, stellte ihre Tasche im Eingang ab und eilte zurück zum Wagen. Kaum hatte sie die Tür zugemacht, fuhr Sanjay auch schon los.
    »Sanjay«, sagte sie, während sie noch mit dem Sicherheitsgurt kämpfte. »Was zum Teufel ist hier eigentlich los? Und fahr nicht so schnell!«
    »Ja, sorry«, sagte er und bremste auf die zulässige Geschwindigkeit herunter. »Es ist Abbie. Sie hat mich angerufen. Sie ist völlig aufgelöst.«
    »Was heißt hier aufgelöst?«, bemerkte Dee. »Vor ein paar Stunden war sie noch völlig in Ordnung. Sie hat sich ein bisschen mit Hazel gestritten, aber das macht ihr doch nicht allzu viel aus, oder?«
    »Ich weiß nicht. Konnte nicht viel von dem verstehen, was sie gesagt hat. Sie will, dass ich sie beim Hotel abhole. Sie klang total hysterisch, und deswegen dachte ich, es wäre am besten, wenn ich dich mitnehme.«
    »Na super, danke! Das ist genau das, was ich jetzt brauche. Noch eine zweite Ladung Abbie heute.«
    »Tut mir leid«, sagte Sanjay noch einmal. »Wahrscheinlich stellt sich gleich raus, dass gar nichts Besonderes los ist. Du weißt ja, wie sie ist.«
    Dee wusste genau, wie Abbie war, aber sie war dennoch vollkommen unvorbereitet auf das, was sie sahen, als sie in die Hotelauffahrt einbogen. Abbie stand auf dem Grasstreifen am Rand, ihr Gesicht voller roter Flecken und mit Erdklümpchen übersät, ihr cremefarbener Mantel verdreckt. Sie ruderte wild mit den Armen, um sich Tom vom Leib zu halten. Tom zitterte in einem T-Shirt
und Jeans mit offenem Gürtel, mit Schuhen, aber ohne Socken, so als hätte er sich überstürzt angezogen.
    »Fass mich nicht an!«, hörte Dee Abbie kreischen, als sie aus dem Auto stiegen. »Komm mir nicht zu nahe.«
    »Das hatte doch gar nichts zu bedeuten«, sagte Tom gleichzeitig. »Ach komm schon! Sei doch nicht so kindisch, Abbie. Was ich da gemacht hab, hat doch gar nichts mit dir und mir zu tun. Das war nur ein bisschen Spaß.«
    »Spaß!«, kreischte Abbie.
    »Hör zu. Es tut mir leid. Okay. Es wird nicht wieder vorkommen. Nie mehr. Abbie! Sei doch nicht so dumm. Du musst nicht gehen.«
    Er redete mit sich
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