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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten
Autoren: Lisa Unger
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Oft versprach er ihr das Blaue vom Himmel, aber, wie sehr er sich auch anstrengte, er hielt sich nicht an seine Versprechen. Einmal hatte er gesagt: Nächstes Jahr fahren wir für eine Woche nach Disney World, nur du und ich. Aber die Sorgerechtsregelung sah keine gemeinsamen Reisen vor. Anfangs war es ihm nicht einmal erlaubt gewesen, seine Tochter unbeaufsichtigt zu sehen. Am schlimmsten war, dass sie nicht mit ihm verreisen wollte , nicht einmal, wenn man es ihr erlaubt hätte.
    Als kleines Mädchen weinte sie sich nach jedem Anruf auf dem Schoß ihrer Mutter aus. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr aufhören zu können. Wenn Kate im Zimmer war, ging es Chelsea gleich besser, auch wenn ihre Mutter nicht hören konnte, was Sebastian sagte. Kates Leben war ruhig, berechenbar und sicher. Ihre Mutter gab Chelsea das Gefühl, dass die Welt keinesfalls auf Treibsand gebaut war und nicht alle Erwachsenen so orientierungslos waren wie ihr Vater. Deshalb hatten Chelsea und Kate die Vereinbarung getroffen.
    Inzwischen hatte ihr Vater sich verändert. Er hatte wieder geheiratet, gewissermaßen. Ihm zufolge führte er eine spirituelle Ehe, konnte aber keine gültigen Dokumente vorweisen. Er trank nicht mehr. Er wurde nicht mehr wütend, zumindest tobte er nicht mehr und beschimpfte sie. In letzter Zeit hatte er endlich wieder schriftstellerische Erfolge feiern können, das machte ihn zufriedener.
    Vor einigen Jahren hatte er sich für sein verletzendes Verhalten unter Alkoholeinfluss offiziell bei Chelsea und ihrer Mutter entschuldigt. Das gehörte zum Zwölf-Schritte-Programm. Oder zu seiner neuen Werbekampagne , hatte Kate gelästert. Sebastians erster Erfolg seit zehn Jahren handelte von dem verheerenden Einfluss des Alkohols auf sein Leben und seine Karriere: Am Grund des Glases . Seine Ehe mit Kate präsentierte er in grellen, grausigen Details. Wenigstens hatte es den Anschein. Kate bat ihre Tochter, das Buch erst als Erwachsene zu lesen, und Chelsea willigte ein. Bis heute hatte sie keinen Blick hineingeworfen. Ehrlich gesagt war sie nicht erpicht darauf, über die katastrophale Ehe ihrer Eltern mehr zu erfahren.
    Seit der Entschuldigung, aus welchem Grund auch immer, wirkte Kate entspannter, wenn der Name ihres Exmannes fiel. Im letzten Jahr hatte Chelsea zwei Wochenenden bei Sebastian und seiner Agentin und zweiten »Ehefrau« Jessica verbracht (die eigentlich ganz in Ordnung war, das fand sogar Kate). Er lud sie regelmäßig ein, aber Chelsea dachte sich immer neue Ausreden aus, und ihre Mutter war die Letzte, die sie gedrängt hätte.
    Chelsea wusste selbst nicht, warum sie nicht zu ihrem Vater wollte. Er und Jessica stellten sich auf den Kopf, um es ihr recht zu machen, sie überhäuften Chelsea mit Geschenken – ein iPhone, Klamotten, einen Flatscreen für ihr Zimmer in Sebastians Haus. Sie lasen ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Aber manchmal sah er sie so komisch an, als erwarte er von ihr eine Gefühlsregung, die sich partout nicht einstellen wollte. Sie spürte instinktiv, dass er ihre Zuneigung weder verdient hatte noch kaufen konnte, und dann fühlte sie sich schlecht. Ja, sie liebte ihn, aber irgendwie nicht genug. Sie wussten beide, dass sie sich bei ihrem Vater nie zu Hause fühlen würde.
    »Du solltest ihn nach Strich und Faden ausnehmen«, sagte Lulu. »Lass dir im nächsten Jahr ein Auto schenken!«
    Im Forever 21 war das Gespräch aus irgendeinem Grund auf Sebastian gekommen. Chelsea war überzeugt gewesen, den Anruf unbemerkt stumm geschaltet zu haben, aber Lulu hatte doch etwas mitbekommen. Oder vielleicht hatte Lulu wie immer ihre Gedanken gelesen.
    »Ja«, sagte Chelsea, »coole Idee.«
    Dabei hatte sie gar nicht vor, ihren Vater um ein Auto oder sonst irgendetwas zu bitten. Selbst mit dem iPhone hatte sie daheim nichts als Ärger bekommen. Möglicherweise hatte Sean vorgehabt, ihr eins zum Geburtstag zu schenken? Sie sprachen natürlich nicht offen darüber. Sie nannte Sean ihren Dad, was sich richtig anfühlte. Und er würde ihr nie wegen ihres leiblichen Vaters ein schlechtes Gewissen machen.
    »Im Ernst«, sagte Lulu, »der schwimmt doch im Geld. Und er ist dir was schuldig.«
    »Warum reden wir überhaupt darüber?«
    Lulu zuckte die Achseln. Sie hielt ein winziges Batiktop in die Höhe.
    »Wie findest du das?«
    »Süß«, sagte Chelsea.
    Wie es wohl wäre, in absolut jedem Kleidungsstück atemberaubend gut auszusehen? Von niemandem gesagt zu bekommen, was einem stand und was nicht. Lulu
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