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Gebrochene Versprechen

Gebrochene Versprechen

Titel: Gebrochene Versprechen
Autoren: Marliss Melton
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wäre eine willkommene Abwechslung.
    Aber sie wollte nicht dorthin.
    Sie redete sich ein, sie mache sich Sorgen um ihren Bruder. Er hatte seine Dissertation fertiggestellt und mit Auszeichnung promoviert, allerdings machte er inzwischen so viele Überstunden im Labor der John Hopkins Universität, dass sie ihn regelmäßig daran erinnern musste, nach Hause zu fahren und sich aufs Ohr zu legen.
    Doch es war nicht Kevins Wohlergehen, das sie zurückhielt. Ehrlicherweise musste sie sich eingestehen, dass es die Träume waren: Träume, die sich um sie und Luther drehten. Nacht für Nacht erklärte sie sich im Schlaf damit einverstanden, bei ihm zu bleiben, und lag wieder in seinen Armen – sicher und vollkommen zufrieden. Manchmal waren auch Kinder bei ihnen, kleine Jungs mit dunklen Haaren und tiefblauen Augen.
    Sie hatte mit ihrem Betreuer über die Träume gesprochen. Doktor Andre Guhl hatte seine komplette Familie bei einem Autounfall verloren, bei dem er selbst der Fahrer gewesen war. Er hatte ihr geholfen, den Tod ihrer Eltern und Onkel Calebs Verrat zu bewältigen. Doch als sie auf ihre Träume von Luther zu sprechen gekommen war, hatte er sie nur angesehen und schließlich gefragt: »Sind Sie sicher, dass Sie das Land verlassen wollen?«
    »Aber ja. Davon habe ich immer geträumt.«
    »Bis jetzt«, stellte er fest. »Warum wollen Sie nicht Ihren eigenen Weg gehen, anstatt den Ihres Vaters fortzusetzen?«
    Dabei fiel ihr etwas ein, das Westy gesagt hatte: Hört sich für mich so an, als wollten Sie davonlaufen. Oder Sie sind hinter irgendetwas her .
    Die ganze Zeit hatte sie der Erinnerung an ihren Vater nachgejagt, als könnte sie ihn auf diese Weise zurückholen. »Lassen Sie sich das mal durch den Kopf gehen«, hatte ihr Betreuer ihr nahegelegt.
    Hannah blies warme Atemluft auf ihre schmerzenden Finger. An der Ecke Second Street und North Royal geriet sie in eine Sackgasse. Sie hatte in letzter Zeit nichts anderes getan, als nachzudenken. An diesem Morgen, am ersten Tag des neuen Jahres, traf sie eine Entscheidung.
    Sie würde nicht nach Griechenland gehen. Sie würde nirgendwohin gehen, außer zurück in Luthers Arme, wo sie hingehörte.
    Sie setzte sich wieder in Bewegung. Die Erleichterung verlieh ihr Flügel. Während sie die Royal Street hinunterlief, plante sie in Gedanken schon, was sie tun würde. Zuallererst musste sie mit Luther sprechen. Aber was, wenn er bereits wieder auf der Suche nach der perfekten Partnerin war? Nein, das konnte nicht sein, so schnell würde das Band zwischen ihnen nicht reißen!
    Hannah flog regelrecht über den von Ziegeln gesäumten Gehweg. Als sie nach Bellvue einbog, musste sie ungläubig blinzeln. Da war Luther, der die Fahrertür seines Trucks zuschlug und gerade losfahren wollte. »Luther!«, rief sie, aber er hörte sie nicht und bog aus der Parklücke.
    Hannah rannte hinterher und wedelte mit den Armen.
    Zu ihrer Erleichterung entdeckte er sie und setzte zurück. Sie erreichte die Fahrertür, als er gerade ausstieg. Der Drang, sich in seine Arme zu werfen, stand ihrer Selbstachtung und der Verlegenheit gegenüber, die sich einstellte, wenn man sich lange Zeit nicht gesehen hatte.
    Er sah gut aus, trug ein marineblaues Hemd mit Button-Down-Kragen, einen schwarzen Wollmantel und ebenfalls schwarze Jeans. Sein Haar war ein wenig länger und seine Wangen wettergegerbt, als hätte er viel Zeit im Freien verbracht. Offensichtlich hatte er am Morgen vergessen, sich zu rasieren, denn ein Bartschatten, mit dem er ziemlich attraktiv wirkte, lag dunkel auf seiner Haut.
    »Fast hätte ich dich verpasst«, bemerkte er, als das Schweigen zwischen ihnen zu lang wurde.
    »Ich war laufen. Möchtest du reinkommen?«
    Er steckte die Autoschlüssel in seine Manteltasche. »Klar.«
    Sie ging ihm voran zur Vordertreppe, blieb stehen und zog den versteckten Hausschlüssel unter einem Blumentopf hervor. Mit zitternden Fingern schloss sie auf. »Es ist ziemlich unordentlich«, entschuldigte sie sich und trat ein. »Tut mir leid. Ich hatte eigentlich vor, sauberzumachen, bevor Kevin heute hier aufkreuzt.«
    »Ist er unterwegs?« Er sah sich um.
    »Nein, er kommt erst heute Abend. Wegen des Gratisessens. Das ist das Einzige, was ihn von seiner Arbeit abhält. Setz dich«, forderte sie ihn auf und zog die Joggingjacke aus, unter der sie ein FBI-T-Shirt trug. »Möchtest du etwas trinken?«
    Er starrte auf ihr T-Shirt.
    »Das hat mir Valentino zu Weihnachten geschenkt«, erklärte sie und zupfte
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