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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht
Autoren: Jason Dark
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Pausbacken. Irgendwie sah er aus wie ein großer Junge, den jemand in einen zu klein gewordenen grauen Winteranzug gesteckt hatte. Sein Hemd war grün. Es stand am Hals offen.
    Geärgert hatte ich mich schon. Drei Tage vor Weihnachten aus London wegzufahren war auch nicht das Wahre. Nicht, daß ich besonders sentimental gewesen wäre, aber über die Tage hatte ich doch meine Ruhe haben wollen.
    Ausspannen, vergessen, die langen, harten Tage des vergangenen Jahres noch einmal Revue passieren lassen, alles aus der Distanz sehen, obwohl sich die neuen Probleme wieder haushoch türmen würden, das stand leider fest.
    Dafür würde allein Mallmann alias Dracula II sorgen. Cigam, das Kunstgeschöpf des Teufels, würde auch keine Ruhe geben, und es war ein neues Kapitel zwischen Avalon, dem Dunklen Gral, den Templern und wahrscheinlich auch Atlantis aufgeschlagen worden. [1]
    Da rollte etwas auf uns zu, wobei ich über dieses uns besonders froh war, denn Suko hatte seinen wochenlangen Schrecken hinter sich. Er war wieder der alte geworden, aber nicht mit nach Bristol gefahren, weil Sir James, unser Chef, gemeint hatte, daß einer ausreichte. »Träumen Sie, John?«
    Ralstons Stimme riß mich aus meinen Gedanken. Über meine Lippen huschte ein schmales Lächeln. »Nein, das nicht. Ich habe nur gerade an etwas gedacht.«
    »Es war wohl nicht angenehm, wie?«
    Ich hob die Schultern. »Was ist das schon in unserem Job?«
    »Richtig.« Er drehte sich auf seinem Stuhl und griff in die Ablage. Dort lag ein blauer Schnellhefter, den er anhob und vor sich hinlegte. Er schlug ihn noch nicht auf, sondern schaute mich an. »Das hier ist der Grund, weshalb ich Sie gebeten habe, nach Bristol zu kommen.«
    »Bitte.«
    Er öffnete den Hefter. »Es ist hart, John, verdammt hart, was ich Ihnen jetzt zeigen werde.«
    »Keine Sorge, ich bin Kummer gewöhnt.«
    Er akzeptierte es nur mit einem Stirnrunzeln, und ich mußte ihm verdammt recht geben. Es war hart, es war sogar superhart, was er mir da an Fotos zeigte.
    »Uns ist es übel geworden«, flüsterte Ray Ralston über den Schreibtisch hinweg. Ich nickte nur.
    Nein, mir wurde es nicht übel. Es waren ja nur Fotos. Sie konnten die Atmosphäre nicht wiedergeben, die in dem Mordzimmer geherrscht hatte, wo jemand gestorben war.
    Nein, gestorben war nicht das richtige Wort. Ich fand einen anderen Ausdruck. Regelrecht vernichtet, auf schlimmste Art und Weise umgebracht. Man hatte diesen Menschen zer… na ja, lassen wir das. Etwas kratzte in meiner Kehle. Ich war etwas bleich geworden. Auf meiner Stirn lagen Schweißperlen.
    »Ich hole Ihnen etwas zu trinken, John.« Ray stand auf und kehrte mit einer Flasche Whisky zurück. »Ungeschehen können wir das nicht machen, aber manchmal hilft ein Schluck.«
    »Danke.«
    Ich ließ den Whisky in meine Kehle rinnen, und ich leerte das Glas mit einem einzigen Zug.
    »Noch einen?«
    »Nein.«
    Ray setzte sich wieder und nickte. »Nun, John, deshalb habe ich Hilfe angefordert.«
    Ich schaute an ihm vorbei durch das Fenster. Ein grauer Wintertag lag über Bristol. Das Polizeigebäude befand sich nicht weit vom Hafen entfernt, so fiel mein Blick auf zahlreiche Kräne, die aussahen wie skelettierte Arme und die graue winterliche Atmosphäre noch trister wirken ließen.
    Ich legte die Stirn in Falten. »Nur wegen dieser Tat, Ray?«
    »Nein, natürlich nicht. Das ist unsere Sache. Es sind halt die Umstände, die für mich eigentlich Vorrang haben.«
    »Welche genau?«
    »Das werde ich Ihnen noch zeigen.«
    »Gut, wer aber war der Mann? Sie haben vorhin Andeutungen gemacht, was mir natürlich zu wenig war.«
    »Sicher, John. Hören Sie zu.« Er räusperte sich und rückte seine Brille zurecht. »Der Tote heißt Walt Temple und war ein im Hafengebiet bekannter Trödelhändler, obgleich er sich als Antiquitätenkaufmann bezeichnete. Das spielt keine Rolle. Wie schon erwähnt, er war sehr bekannt, hatte seine Kundschaft und verkaufte oft die Souvenirs, die ihm die Matrosen aus fernen Länder mitbrachten. Ob er nebenbei auch als Hehler tätig gewesen ist, kann ich nicht sagen, jedenfalls wurde er grausam ermordet und das ist es, was mich nicht schlafen läßt. Jeder Mensch hat Feinde, John. Sie - ich, da gibt es keine Diskussion. Aber ich traue keinem meiner Feinde zu, daß er mich auf diese Art und Weise tötet. Ist das bei Ihnen anders?«
    Meinem Gefühl nach zu urteilen, hatte er die letzte Frage bewußt so lauernd gestellt. Ich enttäuschte ihn auch nicht, nickte
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