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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht
Autoren: Jason Dark
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der Einrichtung ausging. Ein Schrank, ein Tisch, Stühle, ein Bett, eine alte Lampe mit fünf Armen an der Decke.
    So weit, so gut.
    Dann aber folgte der Hammer. Kreuze, nichts als Kreuze!
    Sie waren überall. Sie hingen an den Wänden, sie standen auf den Fensterbänken, eines baumelte vor dem Fenster. Sie waren aus Holz, aus Metall, aus Wachs, und sie hatten die unterschiedlichsten Formen. Vom normalen Kreuz über das T-Kreuz der Templer bis zum Kleeblatt der Rosenkreuzler und dem Kreuz der orthodoxen Kirche war alles vorhanden. Eine tolle, aber irrsinnige Sammlung.
    Ich ging tiefer in das Zimmer. Ralston sagte nichts, er ließ mich in Ruhe schauen. Und ich nahm mir die Zeit, um die Kreuze zu begutachten. Ich strich an den Wänden entlang wie ein Kater, ich berührte das eine oder andere Kreuz, hob es an, ließ es wieder an seinen Platz zurückgleiten und konnte nur die Schultern heben.
    »Was sagen Sie, John?«
    »Tja, was soll ich sagen?« murmelte ich und begutachtete ein Kreuz, das aussah wie ein Dolch, weil der senkrechte Balken spitz zulief. »War dieser Walt Temple ein gläubiger Mensch?«
    »Soviel ich weiß, war er das nicht. Jedenfalls habe ich darüber nichts gehört.«
    »Die Zeugen, meinen Sie?«
    »So ist es.«
    »Warum dann diese Kreuze?« fragte ich und deutete mit beiden Armen in die Runde.
    »Das frage ich mich auch, John!« Er grinste etwas hinterhältig. »Deshalb habe ich Sie ja informiert.«
    Ich lachte. »Wegen der Kreuze, Ray?«
    »Ja, ich habe das Gefühl - natürlich kann ich mich auch irren -, daß sie mit dieser Tat zusammenhängen. Verstehen Sie das, John? Die Kreuze und die Tat, die…«
    »Nein, nein, das glaube ich nicht.«
    »Was haben Sie denn für eine Meinung?«
    Ich wanderte durch den Raum, der länger als breit war. »Wer diese Kreuze aufhängt oder aufstellt, der hat einen Grund. Der tut das nicht zum Spaß.«
    »Sondern?«
    »Er will sich vor etwas schützen, Ray.« Ich zeigte auf verschiedene Kreuze. »Sogar vor dem Fenster hängt eines. Überlegen Sie mal! Diese Kreuze sind nicht nur einfach Kreuze, ich sehe sie mehr als Banner an. Walt Temple wird versucht haben, einen Feind davon abzuhalten, diesen Raum zu betreten.«
    »Wen denn?«
    »Den Feind, der ihn umgebracht hat. Mit anderen Worten, er hat es nicht geschafft.«
    »Der Killer war schneller.«
    »Richtig, Ray, aber er hat ihn nicht hier in seinem Zimmer erwischt, sondern im Geschäft.«
    »Weil er hier nicht hinkonnte, denn die Kreuze haben ihn gebannt. Liege ich da richtig?«
    »Im Prinzip schon. Es fragt sich natürlich, wen oder was die Kreuze haben bannen sollen.«
    Ray Ralston hob die Schultern. »Seinen Mörder natürlich. Oder liege ich da falsch?«
    »Nein. Aber er hat einen Fehler begangen. Er hätte die Kreuze auch in seinen Laden hängen sollen.«
    »Das wäre zu auffällig gewesen.«
    »Lieber auffallen, als so zu enden wie Temple.«
    »Stimmt auch.«
    »Sie haben nichts verändert, Ray?«
    »Nein, John. Was Sie hier sehen, das habe ich ebenfalls vorgefunden!«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie glauben gar nicht, wie überrascht ich gewesen bin. Ich stand da wie der berühmte Ochse vor dem Berg. Ich wußte weder ein noch aus. Ich habe hin und her überlegt. Ich habe einen Geistlichen befragt, der nur mit den Schultern gezuckt hat, und ich hatte immer diesen fürchterlich zugerichteten Toten vor Augen. Je länger ich über den Fall nachdachte, um so starker wurde in mir der Verdacht, daß hier einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Und dann kam mir die Idee, Sie einzuschalten, John. Die zahlreichen Kreuze haben eigentlich den Ausschlag gegeben.«
    Ich lächelte. »Der Gedanke war nicht schlecht.«
    »Danke.« Er setzte sich auf einen Stuhl. »Nur würde mich interessieren, wie es weitergeht. Haben Sie schon eine Idee?« Er nickte zu den verschiedenen Kreuzen hin. »Ist Ihnen hier schon etwas eingefallen?«
    »Nein.«
    »Schade.«
    »Werfen Sie die Flinte nicht so schnell ins Korn, Ray. Wir stehen erst am Anfang.«
    Ralston legte seine Hand auf den Bauch. »John, dieser verdammte Fall liegt wie Blei in meinem Magen. Ich bin jetzt schon einige Jahre in diesem Job, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Darauf können Sie einen Giftbecher leeren.«
    »Lieber nicht. Aber lassen wir das. Das hier ist ja nur ein Teil seines Reichs.«
    »Der Laden ist gegenüber.«
    Ich ging zur Tür. »All right, schauen wir ihn uns aus der Nähe an. Ich möchte vor allen Dingen den Platz genauer unter die Lupe nehmen,
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