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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten
Autoren: Eva Demski
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bis sein kleiner weißer Kopf frei und hoch über der dunklen Hecke schwebte.
    Weil er sowieso nichts daran ändern kann, freut sich der phlegmatische Gärtner auch über die neuen Terrains, die das verdammte Scharbockskraut eingenommen hat, fürs erste mit unschuldigen runden Blättchen. Und früher Krokus ist da, und Narzissennasen kommen, immer wieder staunt man, was sich da alles angesammelt hat. Tun kann man eigentlich noch immer nicht viel, außer ab und zu altes Zeug wegschaffen, Blätter und vom Wind ausgekämmte dürre Zweige, hier ein bißchen lockern, da vielleicht was wegschneiden. Alles ist noch licht und durchsichtig, da kann man Strukturen besser erkennen, der Ast verdeckt die Sonne, also weg mit ihm. Noch tut es dem Baum nicht weh, denken wir, aber was weiß man schon.
    Wo kommen plötzlich die vielen Vögel her? Man hat jedeMenge Zeit, ihnen zuzuhören und sich mit Opernglas und Vogelbestimmungsbuch bewaffnet lächerlich zu machen. Die morgendliche Dunkelheit verliert langsam das Düstere und wird blauer.
    Im März schaut der Phlegmatiker auf seinen Rasen und sieht hauptsächlich Moos und Gänseblümchen. Jetzt spätestens ahnt er, daß sein ruhevolles Temperament dem Garten nicht mehr gewachsen sein wird, sondern daß ganz andere Eigenschaften gefragt sind, denn ab März muß immer alles gleichzeitig passieren. Kontemplation ist nicht mehr möglich, und Vogelgesang wird höchstens noch als Begleitmusik wahrgenommen. Es ist jedes Jahr das gleiche: Die unschuldige Freude am Aufwachen des Gartens wird von Hektik abgelöst. Wenn man das nicht mitmacht, gehört man nicht zur Gemeinde. Gartenbesitzer neigen zum Missionieren, und ab März sind sie ja alle wieder draußen. Vorher war man vor Ratschlägen geschützt, aber jetzt sind die Sanguiniker dran, extrovertiert wie sie sind, und lassen einen nicht mehr in Ruhe. April, Mai und Juni, der Frühlingssommer, gehört ihnen. Als naiver und sentimentalischer Gartenmensch wird man sich unter einem Hagel von Ratschlägen und Verachtung ducken, denn es ist für alles deutlich zu spät.
    Was, Sie haben keine Einjährigen gesät? Sie kaufen lieber fertige Pflanzen, weil Sie sich nicht alle Fensterbretter mit Jiffy-Töpfen zustellen wollen? Dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn Sie nur dürftiges Zeug kriegen.
    Alle um einen herum können alles besser und zögern nicht, einem das auch mitzuteilen. Der Hinweis, man sei nicht hauptberuflich im Garten, wird mit Hohn bedacht. Männer und Frauen sind, was das betrifft, einander ungewohnt ähnlich.
    Der Frühling und der frühe Sommer, dieseHoffnungsjahreszeit, will gegen die Heerscharen von Alleskönnern und Supergärtnern verteidigt werden, die den grünsten Rasen ohne ein Kräutlein und die fettesten Stauden – natürlich alle selbstgezogen – ihr eigen nennen. Der Sanguiniker kann gar nicht anders, als sich gartenmäßig mitzuteilen, Glück und Unglück gleichermaßen. Fürs Glück ist er selbst verantwortlich und benimmt sich, als hätte er Jasmin und Rosen selber genäht. Am etwaigen Unglück ist das Schicksal schuld, das Schnecken oder Wühlmäuse geschickt hat. Er wird sich flugs zum Experten gegen Schnecken und Wühlmäuse entwickeln und einem das bei der nächsten Gelegenheit mitteilen. Sein Lieblingsort ist der Chat, weil er seinen Gefühlen und Kenntnissen da unbegrenzt Ausdruck verleihen kann. Es gibt Chatter, man erkennt sie an komischen Blümchennamen, die so intensiv im Netz unterwegs sind und zu jedem Thema ihren wilden Senf geben, daß man sich fragt, ob die überhaupt einen echten Garten haben, und wenn ja, wann sie drin sind. In seiner Atemlosigkeit wird der sanguinische Gärtner nicht bemerken, daß er oft was verpaßt, weil er bei den Narzissen schon an die Gladiolen denkt.
    Mit Begeisterung, ja mit unendlicher Begeisterung und Ungeduld habt ihr in der Gärtnerei Pflanzen bestellt, ohne die ihr einfach nicht mehr leben könnt, allen Gartenfreunden habt ihr versprochen, bei ihnen Stecklinge zu holen, nie, ich sage nie habt ihr genug mit dem Vorhandenen.



So schreibt Karel Capek in seinem Buch Das Jahr des Gärtners schon vor achtzig Jahren über den April. Und so wird sie noch in hundert Jahren sein, die Aprilunruhe, die einen so schnell in den Mai und den Juni hineinreißt, man weiß kaum, wo die Tage bleiben. Man hat nie genug mit dem Vorhandenen, das trifft alle Gartentemperamente gleichermaßen. Und auch, wenn man sich zur Zurückhaltung in allenDingen entschlossen hat, sieht man seine
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