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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten
Autoren: Eva Demski
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im Entree gestellt, wie eine Trophäe, herbstlicher Überfluß. Ich weiß nicht mehr, ob sich jemand getraut hat, diese Äpfel zu essen.
    Im Herbst waren ihr Garten und der Park natürlich ein Feuerwerk, eine Farbenorgie. Der Strauß auf dem Entreetisch zeigte alle Farben der Jahreszeit auf einmal, Rot, Orange, Gold, Braun und das letzte leuchtende Grün.
    Wahrscheinlich sterben große Gärtnerinnen immer im Winter. Auch sie tat das, wie meine Mutter, nachdem alles für das nächste Jahr vorbereitet war. Am Tag ihrer höchst feierlichen Beerdigung fiel vom frühen Morgen an Schnee, und er fiel bis in die Nacht, man konnte die Wege nicht mehr von den Wiesen unterscheiden, und auch die Beete waren verschwunden. Bäume und Büsche waren dick ins Weiß verpackt, und auf allen Bänken lagen Schneeplumeaus. Zeit der Ruhe für die Gärten und für ihre Gärtnerinnen auch.

Gärtner der vier Jahreszeiten
    »So Tag um Tag, bei Regen, Sturm und Wetter. / Und alles nur um die paar Lorbeerblätter.«
    Mascha Kaléko
    Es gibt vier Jahreszeiten, aber man muß sie als Gärtner anders einteilen. Und es gibt vier Temperamente. Die haben natürlich eine Menge Unterarten, genau wie die Jahreszeiten – sie zeigen sich oft in merkwürdigen Mischformen. Und doch lassen sich Gesetzmäßigkeiten herausfinden.
    Der Herbstwinter fängt im Oktober an und hört im Dezember auf, und er gehört den melancholischen Gärtnerinnen und Gärtnern. Was ist aus unseren Plänen geworden? fragen sie sich beim frühmorgendlichen Gang durch den Garten. Noch ist er stark geschminkt und gibt mit wilden Farben an, aber daß drunter Kahlheit sitzt, wissen wir doch. Das Töten kommt jetzt unaufhaltsam näher, nicht das Sterben. Sterben ist, wie wir wissen, nur etwas Vorläufiges, daß es weitergehen wird, zeigen die Knospen, die an jedem Baum, an jedem Strauch und am Fuß vieler Blumen fest verpackt auf später warten. Nein, Sterben ist keine Gärtnerangst, auch nicht bei den Melancholikern – aber vor dem Töten fürchtet sich der gefühlvolle Gärtner.
    Der marode Baum da soll weg, die Hecke hat die Räude, und die in jedem Stadtgarten massenweise herumtanzenden Herbstanemonen sind bei uns nichts geworden. Also raus damit, keine Sentimentalitäten. Das ist furchtbar schwer. Der entschlossene und traurige Blick trifft auf ein paar mitgeschleppte Sozialfälle, die sich ängstlich in ihre Töpfe zu ducken scheinen. Die arme Verwandtschaft, die sich auf ihrem Gartenplatz häuslich eingerichtet hat, bangt um ihr Leben,und das zu Recht. Sie hatten ihre Chance, sich zu integrieren, diese mitgebrachten, aus dem Supermarkt geretteten oder auf andere Weise zugelaufenen Gewächse. Aber da steht die besenähnliche Azalee und die erbleichte Hortensie, und in einer Gartenecke haben sich die Industrieprimeln, die unsere mitleidige Seele nicht hat auf dem Kompost verrecken lassen wollen, allesamt in ein grauenhaftes Fahlviolett verwandelt. Den Sommer über haben wir es ihnen nachgesehen. Aber wollen wir das nächste Frühjahr wieder mit einer Farbe begrüßen, die an verwaschenes altes Bettzeug erinnert? Niemals. Weg mit ihnen.
    Es sieht allerdings so aus, als sei das Primellaub besonders üppig geworden, könnte es vielleicht sein, daß sie im nächsten Jahr gelb werden, wie der liebe Gott sie doch einst gewollt hat? Und daß diese Sargausstattungsfarbe, dieses kranke Lila, nur ein Übergang war, von der Industrie zurück zur Natur? Man sieht, der melancholische Gärtner im Herbstwinter neigt dazu, an kleine Dinge viel zu große Gedanken zu verschwenden. Es nützt auch nichts, sich mit Vita Sackville-West mental zu stählen: Der Gärtner muß grausam sein. Ja, ja. Wenn nur das Töten nicht so schwer wäre, wenn es nur der Neugier, jener lebendigsten aller gärtnerischen Kräfte, nicht so entgegenstünde. Was nämlich gehäckselt, geschreddert oder in die braune Tonne gewandert ist, ist verloren und wird uns nichts mehr erzählen. Jeder hat schon erlebt, daß ein armseliger Pflanzentropf unter sachkundiger Pflege prachtvoll aufblühte. Um ehrlich zu sein, man hat dergleichen eher berichtet bekommen, als selbst erlebt, aber daß ein trockener Strunk unversehens ergrünte, haben wir selbst schon zustande gebracht. Mehr als ergrünt ist das Gewächs dann allerdings nicht, und so steht es immer noch hinten im Garten und säuft unser teures Wasser. Aber es ist einVersprechen – und wenn wir das jetzt wegschmeißen, werden wir nie erfahren, ob es eingelöst wird.
    Es ist
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