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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten
Autoren: Eva Demski
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Termine. Ihr Betrieb – das Kurbad – sorgte dafür, daß den soliden Glanz auf diesem Leben auch simplere Augen sehen konnten. Dafür war der Garten mit seinen verschiedenen Bereichen eine Art Regisseur. Er schützte das Private ebenso, wie er die öffentlichen Räume verzauberte. Das zu inszenieren gelang der Gartengräfin jedes Jahr neu und anders. Und doch war etwas Ungeduldiges und Trauriges um sie. Manchmal auch jene Grausamkeit, die nach Vita Sackville-West einen wirklichen Gärtner ausmacht. Wenn etwas nicht so wurde, wie sie es sich vorgestellt hatte, gab sie sich nicht damit zufrieden. Sie hätte zum Beispiel niemals so wie ich hingenommen, wenn der Rittersporn für sie nur Gartenzwerggröße übriggehabt hätte. Ich freue mich, wenn überhaupt einer kommt, auch wenn es nur ein Ritterspornwichtel ist. Sie hätte sie rausgerissen. Aber für sie ließen die Delphinia natürlich alle Blautöne mit langen Fackeln leuchten. Oder die Sache mit der Sumpfzypresse: ein wunderbares Baumindividuum, schief, krumm, übers Wasser gebeugt wie eine alte Frau. Ich versuchte, ihr Leben zu retten. Es gelang mir nicht. Sie störte die Sicht.
    Auf dem großen alten Tisch im Entree standen immer Sträuße, die unablässig nach einem Maler oder wenigstens einem Photographen zu verlangen schienen. Und immer wartete die Gartengräfin genau den richtigen Moment der Schönheit des Vergehens ab, bevor sie die Blumen wechselte. Den Blumen wurde das Älterwerden erlaubt, jedenfalls der ansehnliche Teil davon. Abgefallene Rosenblätter auf einer dunklen Tischplatte sind unwiderstehlich. Das mit dem Werden und Vergehen und das mit der verdammten Spurlosigkeit schien sie umzutreiben, nicht nur, weil sie schon wußte, daß sie krank war. Aber das war noch ein paar Jahreszeiten lang kein Thema, und ich bewunderte, wie sie ihre öffentlichen Kurgärten in Szenesetzte, ohne auf Stiefmütterchen und Begonien zu verzichten. Bei ihr sahen die aber ganz anders aus als die bunten Muster in normalen Kurparks. Nach einer bestimmten Farbe – einem tiefen, fast schokoladigen Violett – suchte sie so lang, bis sie es bei irgendeinem entlegenen holländischen Händler auftrieb. Dann pflanzte sie diese dunklen Stiefmütterchen ganz dicht unter langstielige blaßrosa Tulpen wie einen Teppich mit tausend Gesichtern. In den Kuranlagen wurden Pflänzchen und Zwiebeln betont üppig gesetzt, nicht in der sonst üblichen Klecksbepflanzung. Über pyramidenförmige Rankgitter hatten sich Kaskaden von Morning Glories geworfen, jeden Tag gingen unzählige neue auf, seltsamerweise waren das ihre und meine Lieblingsblumen. Jede Blüte ist nur einen Tag lang schön, doch es kommen unermüdlich neue. Soweit ich sehen konnte, erlaubte sie in ihren öffentlich zugänglichen Gartenanlagen die Vergänglichkeit nicht, und der Frühling mußte, wie so oft in Publikumsanlagen, dem Sommer weichen, schon lange bevor er wirklich verblüht war.
    Ihr privater Garten, rund um die große Terrasse an der Rückseite des »Hauses«, erstaunte mich am Anfang. Die Gartengräfin war süchtig nach Designern und fremden, auswärtigen Beratern, das schien mir sonderbar. Schon die danebengegangene weiße Woge war eine solcherart hereingetragene Idee gewesen, und auch ihr privater Garten war, ein Geschenk ihres Mannes, von einer britischen Gartenmeisterin entworfen worden.
    Das hättest du doch selbst gekonnt, sagte ich.
    Nicht so, sagte sie.
    Doch, sagte ich. Wenn du es so hättest haben wollen, hättest du es auch genau so machen können.
    Aber wenn sie es macht, antwortete die Gartengräfin, traut sich niemand, es nicht großartig zu finden.
    Aha, sagte ich.
    Du hast eben keine Ahnung, antwortete sie und lachte.
    Die für sie entworfene Anlage paßte gut zur Gartengräfin, denn sie war von höchst artifizieller Natürlichkeit. Keine kompakten, auftrumpfenden Pflanzen, sondern vielerlei Stauden in matten Gelb-, Weiß- und Blautönen, alle filigran und von jedem Windhauch bewegt. Viele Gräser, die das Geheimnis schöner Gärten sind. Gräser bringen einen Garten zum Tanzen, sie irritieren die Blicke und halten sie in Bewegung. Die Gartengräfin hatte sich da auf sehr künstlerische Art ein Stück Bergwiese, einen Felsengarten, etwas scheinbar Zufälliges erschaffen lassen, und das vor dem Hintergrund der weiten Wiesen und alten Bäume des Parks. Sehr raffiniert. Mir leuchtete es sofort ein, und vielleicht hatte sie recht: Hätte sie das selber für sich so gemacht, wären bei manchen
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