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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten
Autoren: Eva Demski
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ersten Jahren ist sie mit dem Kopf unter der Tischplatte angestoßen und mußte sich krumm machen. Jetzt hat sie ihre Wuchshöhe angepaßt und ebenso kurze Kinder in anderen Ritzen angesiedelt, zartlila, weiß und einzigartig schön.
    Sie können ganz unterschiedlich aussehen, die Gartenfürstentümer, Disneyland oder Kyoto, Western Ranch oder Provence: Es steht einem nicht zu, sich über die Requisiten zu amüsieren, die andere Gartenbesitzer glücklich machen. Oder über deren Besessenheiten.
    Ich traf eine Frau, die ich fast zehn Jahre nicht gesehen hatte. Sie beantwortete meine Frage, wie es ihr gehe, mit den Worten: Mein Bambus blüht! Das war nach so langer Zeit die wichtigste Mitteilung: Sie würde aus ihrem verbissen asiatischen Fürstentum alle Bambusse mitsamt den Mordswurzeln rausschmeißen müssen. Wenn der Bambus nämlich blüht, stirbt er. Man sollte sich überlegen, ob man sich so was antun will.
    Ich habe mich in meiner römisch verkleideten Gartenecke schon ziemlich lang aufgehalten, wobei ich die Töpfe mit Zitrone, Olive, Myrte, Akelei und allerlei anderen Bewohnern noch gar nicht erwähnt habe. Aktuell sind es sechsundzwanzig mit der Tendenz, mehr zu werden. Geschenke, Frust- und Mitleidskäufe, manchmal Begeisterung mit einem völligen Mangel an Sachkenntnis gepaart – oder auch Sturheit. Zitruspflanzen wollen nicht bei mir? Sie müssen! All das führt zur Explosion der Töpfezahl. Im Herbst werden wir uns dann verfluchen, aber noch ist der Herbst weit weg.
    Jeder Garten hat eine dunkle Seite, schattig, trocken – weil hohe Bäume alles Wasser wegtrinken – oder wegen einer häßlichen Aussicht ungeliebt. Meistens gibt es da auch schreckliche Bewohner, wilde Brombeeren, die sich mit allen Mitteln gegen das Ausreißen wehren und durch die dicksten Handschuhe blutige Wunden schlagen, oder tausend zähe Buchenschößlinge, die einem bei ihrer Vernichtung das widerwärtige Gefühl geben, soeben einem schönen Baum die Zukunft genommen zu haben. Baumschößlinge rauszureißen ist notwendig – schließlich fehlt für einen Wald der Platz –, aber unangenehm. Wie reizend sieht es aus, wenn die vom Eichhörnchen vergrabene Walnuß sich teilt und einen grünen Sproß entläßt. Das Entzücken verblaßt, wenn in Blumentöpfen, unter Bäumen, auf der Wiese und überhaupt an allen erdenklichen Stellen des Gartens geteilte Walnüsse auftauchen, ein Versprechen für künftige Walnußhaine – ab in den Kompost. Da wachsen sie dann munter weiter, bis man sich erbarmt und sie in einen Kübel setzt, in dem sie dann prompt eingehen.
    Allerdings kann man das eine oder andere aus einem richtigen Wald anzusiedeln versuchen, und wenn man Glück hat, wird aus der Schmuddelecke eine geheimnisvolle, jedes Jahr von neuem überraschende Freude. Zum Beispiel Buschwindröschen, Waldveilchen, Nieswurz oder Maiglöckchen. Die verwildern schön, mögen düstere Gegenden und wollen nur in Ruhe gelassen werden. Der eine oder andere Farn, auch Funkien – aber nicht die mit den bräsigen Blättern, die wie übergroßer Salat aussehen –, sie werden sich alle jedes Jahr anders verteilen, und manchmal kackt ein Vögelchen Walderdbeersamen hin: Dann hat man auch wieder was Eßbares.
    Er hat mich mehr als einmal gerettet, der Garten: die Dinge zurechtgerückt, mich zum Lachen gebracht, wenn mir zumHeulen war. Er bereitet mir Niederlagen, aber er tröstet mich, wenn die Welt mir welche bereitet. Er erlaubt das Kindischsein und verschenkt, wenn etwas sehr weh tut, ein unerwartetes Blümchen. Er zwingt einen zur Verantwortung und treibt einem sinnloses Grübeln aus: Wichtig ist jetzt nicht die globale Erwärmung, sagt er, sondern: Gießen. Mich. Jetzt.
    In harten Krisen ist er unschätzbar, egal, wie groß er ist. Es geht, wie gesagt, um seine Höhe. Ich weiß, wovon ich rede.
    Dennoch müssen wir ihn manchmal verlassen, wir wollen ja kein Leberecht Hühnchen sein, jene etwas ärmliche Figur von Heinrich Seidel, die mit einer einzigen Nuß Festmähler feierte und nie über den Zaun geschaut hat.
    Goethe hat schon recht: Bringet mich wieder nach Hause! was hat ein Gärtner zu reisen? Der Garten nimmt Abwesenheiten übel und liebt den Gärtner am meisten, der nie wegfährt. Aber er verzeiht auch schnell, vor allem, wenn man ihm was mitbringt, da ist er wie ein Kind. Das eine Mitbringsel liebt er wie verrückt und kann sich gar nicht trennen, das nächste macht er sofort kaputt.
    Vita Sackville-Wests Kulturbeutel, in dem sie für
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