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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten
Autoren: Eva Demski
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guten Vorsätze dahinschwinden. Man erteilt plötzlich selbst anderen ungebetene Ratschläge, man ertappt sich bei gierigen Einkäufen, und nachts sprießen einem die Gartenträume ins Hirn und lassen einen nicht schlafen. Immer wieder findet sich ein hübsches leeres Gefäß, dem eine Pflanze gut stehen würde. Manche Gartenverrückte haben in der kalten Jahreszeit die Flohmärkte nach attraktiven Töpfen, Kübeln, Eimern und Terrinen durchstöbert, eigentlich gibt es ja nichts, in das man nicht irgend etwas hineinpflanzen oder -säen kann. Diese Sammler geraten jetzt in echte Räusche. Übrigens macht es sich sehr gut, wenn man die Sache antithetisch angeht, also je ordinärer das Gefäß, um so edler die Pflanze und umgekehrt. Das ergibt wirklich bezaubernde Effekte, Agapanthus in einem italienischen Speiseölkanister oder Wiesenblumen wie Margeriten, Blutweiderich, Glockenblumen und wilde Möhren in einem antiken Sandsteintrog. Das schöne ist, daß man edle Gefäße billig kriegen kann, wenn sie beschädigt sind. Im Garten macht das nichts, und wenn der Frost mal eins ganz erledigt, ist es auch nicht schlimm.
    Gärtnerinnen mit sanguinischem Temperament machen gern Feste. Sie wollen den Erfolg, die vergängliche Schönheit, teilen. Meistens spielen Kletterrosen eine Paraderolle, jene Sorten, die einem nur einmal im Jahr den Gefallen tun – aber wie! Kletterrosen sind jede Feier wert, egal, was für ein Wetter ist. Ich erinnere mich an ein besonders lustiges Rosenfest in einer Gartenparzelle vor der Stadt, das wegen Dauerregens in einem Geräteschuppen gefeiert werden mußte. Der war weit und breit das einzige Gebäude. Man konnte Radau machen, so laut man wollte, über den Grill wurden Regenschirme gehalten, und die nassen, nächtlichen Kletterrosen überdufteten mühelos die Bratwürste. Man braucht einheiteres, leichtfertiges Gemüt, um sich mit der Geschwindigkeit dieser Gartenjahreszeit abzufinden.
    Im Juni geht der Rausch zu Ende, viel zu schnell, wie in jedem Jahr. Der Sommer kippt. Juli, August und September gehören den Cholerikern, zupackend und kraftvoll, wie sie sind. Es geschieht oft im August: Man sitzt in der Wärme, der man schon nicht mehr so richtig trauen kann, auf dem Rasen zeigen sich ein paar gelbe Stellen, die Bäume haben sich schon vorsorglich von ein paar Blättern getrennt. Der zweite Rosenflor war nicht so berauschend, wie man ihn sich gewünscht hätte. Auch die Herbstastern sind nicht zu dem lila Feuerwerk geworden, das einem in Bauerngärten in die Augen geknallt war. Man sitzt und schaut spazieren. Eigentlich, sagt man sich zum drittenmal leise vor, ist doch noch Sommer. Hochsommer. Die schönste Zeit. Aber die schönste Zeit ist vorbei, und das weiß man. Innerlich verteidigt man die Reize der Reife trotzig gegen die leichte, leichtfertige Frühlingsüberfülle. Nützt aber nichts.
    Du wirst alt, mein Lieber, dagegen müssen wir was unternehmen, sagt die Cholerikerin energisch zu ihrem Garten und stürzt sich in die Arbeiten, denen sich die Melancholiker nicht gewachsen fühlen.
    Auch wenn es gängiger Lehre nicht entspricht: Im August und September läßt sich, wenn man die Kraft dazu in sich spürt, eine Menge verändern. Auch cholerische Ausbrüche, Wutanfälle und Bluträusche lassen sich nutzbringend anwenden. Zum sichtbaren Gealtertsein unseres Gartens hat ungewolltes und zu lang übersehenes Wachstum wesentlich beigetragen. So wie die Augenbrauen älterer Männer wuchern Kletterpflanzen unkontrolliert vor sich hin, im sich neigenden Sommer ist der Zeitpunkt gekommen, zu sagen: Das sieht fürchterlich aus. So geht’s nicht weiter. UndWildem Wein, Efeu oder Knöterich reißend, schneidend und hackend zuleibe zu rücken. Das ist eine Arbeit, für die man Wut gut brauchen kann. Daß man so lange übersehen konnte, wie sich da welche breitgemacht haben und verschlingen, was ihnen vor die Ranken kommt! Zur gleichen Zeit freut man sich über die bunt und brav dastehenden Zinnien, Levkojen und Löwenmäulchen, über Dahlien und Sonnenblumen und denkt bei sich, daß denen so ein bißchen anarchischer Wucherfleiß nichts geschadet hätte.
    August, September – da kann man auch über ein ganz neues Gesicht seines Gartens nachdenken. Natürlich verbieten sich die großen Eingriffe, gegen Bäume, beispielsweise. Aber vielleicht erfüllt man sich endlich den Wasserwunsch, über den man schon so lang nachgedacht hat. Ein Becken, ein Teich, ein Brunnen – es braucht ein bißchen Mut
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