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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten
Autoren: Eva Demski
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rosen- und rhododendrongeeichten Nachbarinnen die Augenbrauen pikiert nach oben gegangen. Ich war oft genug Zeugin von erbarmungslosen Gartenhinrichtungen in Kennerkreisen gewesen, ich konnte mir vorstellen, was so ein Meisterwerk aus Schafgarben und Zistrosen, Grasbüscheln und Salbei ausgelöst hätte. Aber so war es eine Kreation, britisch und teuer. Da hielt man lieber den Mund.
    Rechts und links auf der Terrasse standen als aristokratische Gegenpole riesige Kübel mit Agapanthus. Vielleicht scheinen mir die blauen Blütenkugeln deswegen so königlich, weil sie ein bißchen wie Zepter aussehen, das trifft auch auf Allium zu, das in imperialen Gärten oft gepflanzt wird.
    Ihr Garten war also sehr gelungen, aber machte er sie glücklich? Das war nicht leicht zu sagen, weil sie immer ganz Haltung, ganz ironische Distanz war, und ihre kalkulierten Ausbrüche von Leidenschaft oder Anarchie, die durchaus vorkamen, selten waren. Und unvorhersehbar. Sie konntesich enthusiastisch in irgendein Buch werfen oder ein Bild, sie konnte über die Form eines Ziergitters oder einen falsch gepflanzten Baum völlig aus dem Häuschen geraten. Törichte Menschen gingen ihr besser aus dem Weg, und sie sorgte dafür, daß denen das auch klar war. Wenn sie Torheit in ihren eigenen Kreisen fand – um so besser! Sie hätte die intelligenteste Klatschkolumnistin sein können, die es je gegeben hat. Aber das war gesellschaftlich undenkbar. Und so konnte man ihre Widerborstigkeit an ihren Gartenideen ablesen, wenn man wollte – auf die Gefahr hin, manches überzuinterpretieren. Mir fiel jedenfalls auf, daß sie die frivolen, grazilen, beweglichen Pflanzen mehr schätzte als die monumentalen. Repräsentation um ihrer selbst willen erboste sie, und sie konnte dergleichen wunderbar parodieren. Außerhalb ihrer Gärten – denn es waren ja mehrere, wenn auch zusammenhängende – war sie von größter Ungeduld, die keinem Eklat aus dem Weg ging. Im Garten, allein mit Bäumen und Blumen, Rabatten und Rosen, war sie still und zärtlich, in ihren letzten Jahren immer mehr. Nichts entging ihren Blicken, nicht das kleinste Blatt, nicht die versteckteste Blüte.



Schon lang versorgte sie ihren Garten mit Sinn, auch mit Geschichte. Das hatte nichts mit Dekoration zu tun. Wenn bei ihr eine Sonnenuhr an besonderer Stelle Platz nahm, sollte man über den Lauf der Zeit nachdenken, und die kleine Kapelle, die sie errichten ließ, sollte nicht nur ein Blick-, sondern vor allem ein Seelenfang sein. Ihr Park war ja vor allem für Heilungsuchende offen, und die Gartengräfin, eine unnachsichtige Protestantin, war sicher, daß Krankheit und Gebet untrennbar miteinander verbunden sein sollten. Die Kapelle, ein schmucklos heiteres Besinnungshäuschen, sah schön aus. Die Gräfin wußte Spiritualität und Ästhetik zuvereinen. Als ich ihr sagte, da sei doch ein katholisches Eckchen in ihrer Seele, war sie empört, aber nicht lang.
    Sie verschaffte auch der Poesie, die im Driburger Park für eine kurze und wichtige Zeit zu Besuch gewesen war, einen Erinnerungsplatz. Hölderlin hatte dort 1796 ein paar Wochen, vielleicht die einzigen glücklichen, mit seiner Diotima, Susette Gontard, verbracht. Die Geschichte des Paares ist oft erzählt worden, wir wollen hier nur ihren Spuren im Park folgen, den Spuren und Zeichen, die die Gartengräfin ihnen widmete. Das war ein größeres Unternehmen, viele Menschen machten mit, schlugen vor, verwarfen, die Sache ging bis nach Frankfurt, wo die einzige Darstellung Susette Gontards, ein grade mal faustgroßes Köpfchen des Bildhauers Landolin Ohmacht, im Museum steht. Aber irgendwann war alles gut, und mit viel Freundeshilfe haben die beiden, Hölderlin und Susette Gontard, in den Driburger Park zurückgefunden. Von einem Inselchen im See schaut sie als schön vergrößerte Kopie von einer Stele aus hinüber zum Hölderlinhain, dessen Hauptelemente, wie es sich gehört, Wörter sind, Zitate auf Tafeln. Die Bepflanzung des Inselchens wurde mit einem Ernst erörtert, als handle es sich um die Urbarmachung eines neuen Erdteils.
    Es sieht aus wie Salat, sagte die Gräfin. Aber es ist historisch. Die Hommage an das unglückliche Paar war eine ihrer letzten großen Gartentaten. Ob sie es wußte? Ich bin nicht sicher. Aber daß sie diese ganze Hölderlin-Susette-Wirtschaft eigentlich nicht wirklich gutgeheißen hat, glaube ich ganz fest. Sie liebte zwar das Chaos – sonst wäre das Leben ja langweilig –, aber sie billigte es nicht.
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