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Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)

Titel: Gang nach Canossa: Ein Mann, ein Ziel, ein Abenteuer (German Edition)
Autoren: Dennis Gastmann
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Schultern geworfen, und seine beiden Töchter haben weißblonde Zöpfe. «Du Scheißtyp!», brüllt der Alki, und plötzlich betritt ein Polizist den Wagen. «Herr Wachtmeister!», ruft Johannes B. Kerner, die Staatsgewalt schreitet ein, und die Lage beruhigt sich. Diese Bahn scheint in neun Minuten direkt nach Canossa zu fahren.
    «Mahlzeit, die Fahrscheine bitte!», trällert der Zugbegleiter, und ich drücke ihm mein Ticket in die Hand.
    «So ist das!», meint der Alki.
    Die Mädels spielen «Broken Wings», Mr. Mister, 1985.
    «Da fehlt noch was!», sagt der Schaffner, und ich blicke ihn fragend an. «Was fehlt denn?»
    «Die hättest du entwerten müssen!», sagt der linke Zwilling.
    «Das stimmt!», sagt der rechte.
    «So ist das!», ruft der Alki.
    «Die Fahrt wird teuer für Sie», sagt der Schaffner.
    «Vierzig Euro», sagt der linke Zwilling.
    «Das stimmt!», sagt der rechte.
    «So ist das!», ruft der Alki, und ich will nur noch raus.
    Das kann nicht wahr sein. Vierzig Euro für neun Minuten Terror, willkommen in Deutschland. «Du Idiot! Du Scheißtyp!», brüllt der Alki zum Abschied, die Mädels singen «Never Gonna Give You Up», Rick Astley, 1987. Entnervt stiefle ich in einen Delmenhorster Gasthof und tröste mich mit Schmerztabletten und einer Grünkohlpfanne. Über diese Stadt gibt es nichts zu erzählen. Sarah Connor hat hier lange gelebt, schlimm genug. Gute Nacht.

    Nein, es macht mich nicht gerade stolz, gleich in der ersten Wanderwoche zu mogeln. Vielleicht bin ich deshalb so frustriert. Doch Zwerg Pickenpack und der Igel aus Buxtehude hätten wohl das Gleiche getan, und mein Bußgeld sollte Strafe genug sein.
    Irgendwie steckt Niedersachen, die Heimat der Pferderipper und Hühnerwürger, voller krimineller Energie. Gerade die Weserregion verführt mich immer wieder zu Gesetzesverstößen. In Wildeshausen stand ich sogar mal vor Gericht, allerdings nur als Zeuge. Mein Kumpel Delle meinte, er müsste einen Kombi auf der A1 rechts überholen. Ich saß auf dem Beifahrersitz und las den Kicker. Als sich der Fahrer vehement mit Lichthupe beschwerte, streckte Delle seinen Mittelfinger in den Rückspiegel. Das hätte er besser gelassen, denn dummerweise entpuppte sich der Überholte als Zivilpolizist, und wir drei sahen uns vor dem Amtsgericht Wildeshausen wieder.
    Delle war ein ambitionierter Jurastudent und hielt es für eine gute Idee, sich selbst zu vertreten. Der Richter begrüßte ihn mit den Worten: «Mein lieber Herr Dellbrügge, Sie sind ein kleiner Wicht, und Ihrem Zeugen werde ich sowieso kein Wort glauben.» Trotzdem hatte ich bei meiner Aussage ein richtig gutes Gefühl. Ich war fabelhaft gebrieft und erzählte in rührenden Worten, wie besonnen, rücksichtsvoll und defensiv sich Delle durch den internationalen Straßenverkehr bewegen würde. Gandhi wäre stolz auf mich gewesen.
    «Herr Gastmann, würden Sie denn sagen, Ihr Freund fährt flott oder vielleicht zügig?»
    «Gott bewahre, Herr Richter. Herr Dellbrügge fährt ganz normal.»
    «Und warum fährt er dann GTI?»
    «Den hat ihm seine Mutter geschenkt. Das ist ein besonders sicheres Auto», sagte ich und fand meine Antworten wirklich schlüssig. Ich glaube, Delle wäre sogar freigesprochen worden, wenn nicht mitten in der Vernehmung mein Handy geklingelt hätte. Ein Kardinalfehler. Natürlich war der Richter not amused, er brach meine Aussage ab, man einigte sich auf einen Vergleich, und Delle musste eintausendzweihundert Euro an die ostdeutschen Flutopfer spenden. Irgendjemand in Grimma hat mir seine neue Couchgarnitur zu verdanken.

    Ich laufe durch die Wildeshauser Geest, und würde es nicht nieseln, dann wäre es hier richtig schön. Heute ist mein fünfter Wandertag, das Wochenende bricht an, und mein Weg führt kreuz und quer durch Weidelandschaften. Auf manchen Feldern wächst sogar Rollrasen für Fußballstadien, Betreten verboten. Im Schritttempo kommt mir ein Traktor mit Anhänger entgegen, hinter ihm laufen zwei Bauern und sammeln die Wodkaflaschen, Zigarilloschachteln und Hardcore-Pornos aus dem Graben. Ein gutes Zeichen.
    Die Geest ist ein Naturschutzgebiet im Dreieck zwischen Bremen, Oldenburg und Vechta. Ein riesiger Abenteuerspielplatz aus Mooren, Urwäldern und Hünengräbern. Passenderweise habe ich hier in der Gegend eine Art Outdoor- und Survivaltraining gebucht. Wer nach Canossa geht, dachte ich mir, sollte ein paar Dinge beherrschen: Feuer machen, Würmer fressen, Fische mit Speeren fangen, sich tarnen,
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