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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron
Autoren: Carl Hanser Verlag
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    H annez sah, wie der Knoten des Taus aufging, mit dem das Segel eben neu aufgezogen worden war, konnte aber nicht mehr tun, als »Vorsicht!« zu schreien. Zum Glück sprangen die beiden Jungen sofort zur Seite. Dann krachte die Stenge samt dem Segel herab.
    »Kip! Verdammt noch mal! Habe ich dir nicht gesagt, du sollst die Leine richtig festmachen?« Der Fischer hätte den Jungen ohrfeigen können und sich selbst gleich mit, weil er sich von Kip und Girdhan hatte breitschlagen lassen, sie auf die weite Fahrt mitzunehmen. Aber er hatte auf die Schnelle niemand anders als Hilfskraft gefunden. Die beiden Männer, die normalerweise auf seinem Boot mitfuhren, waren krank geworden, und er hatte diese Ausfahrt um nichts in der Welt verpassen wollen. Nur wenn drei der sechs Monde um Mitternacht als Vollmonde am Himmel standen, wartete am Tag danach ein ganz besonderer Fang auf die Fischer von Ilynrah.
    Verärgert blickte er den anderen Booten nach, die mit vollen Segeln auf das geheimnisvolle goldene Glühen zuhielten, das von den Schwärmen der Goldgarnelen ausging und so stark war, dass sein Widerschein von den Wolken zurückgeworfen wurde. Hannez konnte sich kaum an einen Tag erinnern, an dem die Schwärme so weithin sichtbar gewesen waren. Seine Freunde würden mit vollen Fässern zurückkehren, ihn aber hielt das Pech in den Klauen. Die Schwärme blieben nur kurze Zeit an der Meeresoberfläche, und bis er das Segel aufziehen und wieder Fahrt aufnehmen konnte,würden sie sich bereits in die unendlichen Tiefen des Meeres zurückgezogen haben.
    Während Kip, dessen Nachlässigkeit das Unheil verursacht hatte, vor Schreck wie erstarrt neben der kleinen Kajüte stand und das blaue Segeltuch anstarrte, das sich in den Tauen und der Rah verheddert hatte, machte Girdhan sich mit der ihm eigenen Ruhe daran, das Gewirr aufzudröseln. Trotz seiner breiten Hände und der plump wirkenden Finger ging er geschickt zu Werk.
    »Einer von euch muss den Mast hochklettern und das Tauende durch die Rolle ziehen, damit wir das Segel wieder hochziehen können.« Hannez gab Kip, dem flinkeren der beiden Jungen, einen Stups. Doch da klemmte Girdhan sich schon das Seilende zwischen die Zähne und kletterte hoch.
    »Gut so!«, lobte Hannez ihn und sah dann Kip an, der eigentlich der erfahrenere der beiden war.
    Der Junge kämpfte gegen die Tränen an. »Das wollte ich nicht, Hannez! Ich dachte ...«
    »Wenn du schon deinen Kopf anstrengst, dann solltest du richtig nachdenken. Aber mit deinen Gedanken bist du meist irgendwo weit weg. Leider füllen die Fische und Goldgarnelen, die du in deiner Fantasie fängst, nicht den Bauch. Und jetzt hilf deinem Freund!« Hannez versetzte Kip einen weiteren Stoß und sah mit einem bedauernden Blick den anderen Fischern hinterher.
    Die ersten Boote hatten die Schwärme erreicht. Ihre Rümpfe schimmerten nun in dem Licht von Abermillionen Garnelen, und es sah so aus, als würden die Boote über dem Wasser schweben. Netze wurden ausgeworfen und ihre leuchtende Fracht kurz darauf in das Innere der Schiffe entladen, das nun auch golden schimmerte. Hannez dachte an das schöne Geld, das seine Freunde für ihren Fang erhalten würden, und seufzte. Die Münzen hätte er auch gut brauchen können, denn der Tag, an dem er seine Steuern zahlen musste, stand kurz bevor.
    Seine Hand krampfte sich um die Pinne. »Macht schneller!Vielleicht können wir wenigstens so viele Garnelen fangen, dass Meraneh für ein paar Tage Vorrat hat. Ihr hattet versprochen, ihr ein großes Fass voll mitzubringen.«
    Hannez’ besorgte Miene glättete sich, als er an die Wirtin des »Blauen Fischs« dachte. Er mochte die Witwe und bot ihr jedes Mal, wenn er zurückkam, die besten Stücke seines Fangs für ihre Küche an. Deswegen hatte sie Girdhan auch erlaubt, mit ihm hinauszufahren. Im Gegensatz zu Kip war er kein Fischerjunge, sondern Schankbursche im »Blauen Fisch« und stammte nicht von Ilyndhir. Seine Eltern waren als Flüchtlinge auf die Insel gekommen und er selbst in Meranehs Gasthaus zur Welt gekommen. Da seine Mutter kurz nach der Geburt gestorben war, hatte Meraneh sich seiner angenommen und ihn aufgezogen.
    »Hannez, schau dorthin!«
    Girdhans entsetzt klingender Ausruf beendete den Gedankenflug des Fischers. Er blickte zu dem Jungen auf, der sich an den Mast klammerte und nach Süden zeigte.
    »Was ist denn los?«, fragte er, denn er konnte nur die anderen Fischerboote sehen, die mit einem Mal wirr durcheinanderfuhren. Zwei
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