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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron
Autoren: Carl Hanser Verlag
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der Angriff der königlichen Schiffe die Möglichkeit zu entkommen.
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    A n diesem Tag tranken die Gäste mehr als sonst. Mera kam kaum mehr nach, die Krüge zu waschen und wieder neu zu füllen. Auch ihre Mutter hatte alle Hände voll zu tun. Meraneh stand in der Küche und kochte an diesem Abend doppelt so viel Fischsuppe und briet auch mehr Fische als sonst in drei Tagen. Es war, als wollten die Gäste im »Blauen Fisch« sich noch einmal richtig satt essen und betrinken, bevor das unvermeidliche Schicksal sie überrollte.
    Hannez und der andere Fischer, der dem Überfall der gurrländischen Galeeren entkommen war, hatten in allen Einzelheiten berichten müssen, was draußen in den Fanggründen passiert war. Doch sie konnten nicht erklären, warum die Gurrländer auf einmal Jagd auf harmlose Fischer machten, und wussten ebenso wenig, was aus den Schiffen der königlichen Flotte geworden war. Als die beiden Männer erschöpft innehielten, starrten die übrigen Fischer stumm in ihre Bierkrüge, denn jeder von ihnen trauerte um Angehörige und gute Freunde.
    Der königliche Steuerschätzer Berrell, dem die Fischer bisher kaum Beachtung geschenkt hatten, nutzte das Schweigen aus, um endlich das große Wort schwingen zu können. Mera mochte den aufgeblasenen Kerl nicht, der mit seinem langschößigen blauen Rock, den gleichfarbenen Kniehosen und den zierlichen Lederschuhen wie ein Fremdkörper zwischen den in derbes Leinen gekleideten Fischern wirkte. Sie kannte niemanden aus der Fischervorstadt, der sich die Haare nach höfischer Mode blau färbte oder sich gar ein blaues Schönheitspflaster auf die Wange klebte.
    Die Männer, die im »Blauen Fisch« ihr Bier tranken, arbeiteten hart, um ihr Leben zu bestreiten, und das Meer war nicht immer gnädig zu ihnen. Mal war der Fang so gering, dass sie vom Erlös kaum ihre Steuern zu zahlen vermochten, dann gingen Boote samtihrer Mannschaft verloren, und meistens wusste niemand zu sagen, was ihnen zugestoßen war.
    Stürme stellten die geringste Gefahr für die Fischer dar, denn die alte Merala konnte sie beinahe jedes Mal rechtzeitig warnen. Die Mutter der Wirtin war eine ausgezeichnete Wetterfühlerin und wusste genau zu sagen, wo das nächste Unwetter wüten würde. Gegen den Sturm aber, der sich seit Neuestem aus dem Süden erhob, halfen auch ihre besonderen Fähigkeiten nichts.
    Berrell hob seinen Krug, ohne daraus zu trinken, und sah die Anwesenden hochmütig an. »Die Flotte Ihrer Majestät, der Königin, wird dieses gurrländische Gesindel vom Meer fegen, wenn es weiterhin in unsere Hoheitsgewässer eindringt!«
    »Wovon träumst du nachts?«, murmelte Hannez, der seinen Schrecken noch nicht überwunden hatte.
    Der Steuerschätzer quoll bei seinen nächsten Worten vor Stolz über. »Ich habe heute mit dem Geheimen Staatsrat Hemor gesprochen. Wie er mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichtet hat, wird die Flotte Ihrer Majestät stark aufgerüstet. Es sind bereits neue Schiffe auf Kiel gelegt worden. Damit werden wir bald in der Lage sein, die Gurrländer in ihre Schranken zu weisen.«
    Hannez verzog zweifelnd die Miene. »Dafür werden uns die Schwarzen nicht genügend Zeit lassen.«
    Mera schüttelte es, als sie daran dachte, was nun auf die Mutter zukam. Für die neuen Schiffe benötigte die Königin viel Geld; sie würde gewiss die Steuern erhöhen. Das bedeutete, Mutter und sie würden noch mehr arbeiten und sich trotzdem stärker einschränken müssen. Zwar kamen beinahe mehr Gäste in den »Blauen Fisch«, als sie bedienen konnten, doch das Geld, das ihnen übrig blieb, wurde immer weniger. Aus diesem Grund hatte die Mutter bereits dringende Reparaturen am Haus verschoben. Wenn es noch schlimmer kam, würden sie nicht einmal mehr Girdhan behalten können, obwohl der Junge so genügsam war wie kein Zweiter. Er arbeitete so hart wie ein Erwachsener, obwohl er nicht mehr bekamals Kost, Logis und ein kleines Taschengeld. Seit eine sterbende Girdanierin ihn als Neugeborenen in die Hände ihrer Mutter gelegt und diese gebeten hatte, sich ihres Sohnes anzunehmen, lebte Girdhan im »Blauen Fisch«. Seine Eltern waren mit Flüchtlingen aus Girdania gekommen, das nun Klein-Gurrland hieß, nachdem die Truppen des Kaiserreiches Gurrland die kleinere Nachbarinsel besetzt hatten. Dennoch war Girdhans Vater noch vor dessen Geburt wieder in die Heimat zurückgekehrt, um gegen die Eroberer zu kämpfen. Wahrscheinlich lebte er längst nicht mehr, denn das gurrländische
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