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Galaxis Science Fiction Bd. 07

Galaxis Science Fiction Bd. 07

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 07
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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Das Observatorium…
 
    Lothar Heinecke
 
    Eusapia Palladino war keine besondere Schönheit. Sie besaß darüber hinaus ein irritierendes, launisches Gemüt, war faul, und auch mit ihrer Bildung war kein Staat zu machen. Genauer gesagt, sie konnte weder schreiben noch lesen. Und trotzdem war sie eine äußerst bemerkenswerte Frau. Sie war das erstaunlichste psychische Phänomen, mit dem jemals nüchterne Wissenschaftler sich kritisch auseinandersetzen konnten. Um es hier vorwegzunehmen – sie vermochte tote Gegenstände als auch sich selbst durch die Luft zu bewegen, und zwar ausschließlich mit Hilfe einer bis jetzt immer noch unbekannten geistigen Kraft. Und darüber besteht kein Zweifel.
    Sie wurde geboren am 21. Januar 1854 in Minerverno in der Provinz Bari, Italien – einem verlassenen Nest, dessen Bewohner in keiner Weise mit übermäßigem Reichtum gesegnet waren – weder an Intellekt, noch an irdischen Gütern. Die Mutter starb kurz nach ihrer Geburt. Ihr Vater wurde von Banditen ermordet, als sie gerade zwölf Jahre alt war. Irgendwann in ihrer frühen Jugend stürzte sie, fiel auf den Kopf und hatte von da an ein Loch im Schädel, das später dann manchmal zur Erklärung jener verblüffenden Fähigkeiten herhalten mußte, die Eusapia in Zukunft zu einer so zwiespältigen Persönlichkeit machen sollten.
    Während ihrer traurigen Jugendzeit deutete allerdings noch nicht auf diese so erstaunliche Zukunft hin. Als sie endlich das Alter erreichte, wo junge Mädchen sich in Frauen verwandeln – in Süditalien tritt dieser Zeitpunkt bekanntlich früher ein –, begann es sich auch in Eusapia zu rühren. Jedoch war es ein Gefühl, das mit Männern – denen sie übrigens in keiner Weise abhold war – nicht viel zu tun hatte und das sie später folgendermaßen beschrieb: Ein Etwas, ähnlich einem Strom von Energie, floß ihren Rücken hinauf, über die Schulter und dann einen Arm herunter bis zu dem Ellbogen, von wo aus es sich in den Raum zu ergießen schien. Und immer, wenn sie dieses Erlebnis hatte, verspürte sie den unwiderstehlichen Drang, Dinge zu bewegen, ohne dabei ihre Hände zu Hilfe zu ziehen.
    Die Bewohner des Dorfes konnten es nicht länger leugnen. Tote Gegenstände bewegten sich und flogen ohne sichtbare Ursache durch die Luft. Das arme Waisenkind Eusapia, die sich auf diese Weise plötzlich im Mittelpunkt des Interesses sah, tat alles, um ihr Publikum nicht zu enttäuschen. Sie jonglierte Pfannen und Töpfe, Krüge, Tische und Stühle – und alles, ohne auch nur in die Nähe dieser Gegenstände zu kommen, und dazu mit einer eindrucksvollen Nonchalance, die ihre Zuschauer mit offenem Munde dastehen ließ.
    Es blieb nicht aus, daß Eusapias Ruhm sich allmählich über die Grenzen ihrer engeren Heimat auszubreiten begann. Jeder, der sie gesehen hatte, brachte beim nächsten Male Freunde mit, die ihm bestätigen sollten, daß er vorher weder betrunken noch sonstwie in seinen geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt gewesen war. Endlich erfuhr auch Professor Erhole Chiaja aus Neapel von diesem merkwürdigen Bauernmädchen. Nachdem man ihm wohl bald ein dutzendmal von ihr berichtet hatte und er dabei nie aus der Verwunderung herausgekommen war, daß eine so augenfällig unsinnige Geschichte doch ein solch zähes Leben haben konnte, beschloß er, seine Neugierde zu befriedigen und sich Eusapia mit eigenen Augen anzusehen.
    Eusapia war ein voller Erfolg. Anscheinend war ihr bewußt, daß der Besuch des Professors ein einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben bedeutete, denn sie levitierte nicht nur alle Gegenstände, die sich im Zimmer befanden, sondern erhob sich – gewissermaßen als Krönung ihrer Vorstellung – auch selbst in die Luft, mitsamt dem Stuhl, auf dem sie saß. Professor Chiaja versuchte die folgenden Tage, dem offensichtlichen Betrug auf die Spur zu kommen – was ihm aber nicht gelang; und er überredete in den folgenden Jahren Professor Cesare Lombroso – damals einer der führenden Psychiater und Kriminologen der Welt – sich das Phänomen Palladino ebenfalls anzusehen, was ihm gelang.
    Im Februar 1891 saß dann Eusapia Lombroso und einigen seiner Kollegen gegenüber. Auch diesmal gelang es ihr, ihre skeptischen Besucher von ihren Kräften zu überzeugen, und Lombroso – wozu damals wie heute einiger Mut gehörte – veröffentlichte dann auch eine Abhandlung, worin er sich für die Echtheit von Eusapias Fähigkeiten verbürgte.
    Das war die erste in einer langen Reihe von
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