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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts
Autoren: Nadine Kühnemann
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der Räder über das Kopfsteinpflaster schlagartig nach. Der Kutscher rief den Pferden einen Befehl zu. Die Kutsche schwankte, als er vom Bock sprang. Nur einen Moment später öffnete sich die Tür des Fahrgastraums, kalte Luft strömte herein. Vater erhob sich mit einem Seufzen und stieg vor mir aus. Als ich wieder festen Boden unter den Füßen spürte, fühlten sich meine Beine an, als wären keine Knochen mehr darin, ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus.
    »So, da wären wir.« Breanor klatschte einmal in die Hände. Er drückte dem Kutscher eine Münze in die Hand und wies ihn an, auf ihn zu warten, bis er zurückkehrte. Er nahm meine Hand und zog mich unsanft hinter sich her. Sein Griff war fest, seine Finger breit und rau. »Dort hinten ist es, kannst du es sehen?«, fragte er mich.
    Ich richtete meinen Blick nach vorn. Etwa zwanzig Yards entfernt hämmerte ein Dutzend Männer ein aus der Sichtweise eines siebenjährigen Knirpses riesiges Stück Metall an eine Konstruktion, die auf mich wie das Gerippe eines ausgehöhlten stählernen Wals wirkte.
    »Dort entsteht eine neue Zugbrücke.« Breanors nüchterner Tonfall erinnerte mich an den meiner Lehrer. »Sie wird über den Fluss Niral hinwegführen und den Händlern den Weg zum Marktplatz abkürzen.«
    Ich kann mich nicht daran entsinnen, darauf etwas erwidert zu haben. Viel zu sehr war ich damit beschäftigt, all die sonderbaren Dinge zu betrachten. Wir befanden uns auf einer riesigen Baustelle. Rechts und links neben uns klafften viele Yards breite und zwei Manneslängen tiefe rechteckige Löcher im Boden, in denen sich Männer mit Schaufeln tummelten.
    Vater folgte meinem Blick. »Dort entstehen neue Zollhäuschen und Wohnhäuser. Sie haben die Gruben bereits ausgehoben.«
    Die zügige und strukturierte Arbeit der Männer versetzte mich in Erstaunen. Das Kreischen von Sägen, das Klopfen von Hämmern und das Rattern von Maschinen erfüllten die Luft. Hinter einer der Baugruben erstreckte sich eine unbebaute Fläche, auf der sich zahlreiche Zelte jeder Größe aneinanderreihten. Dort sah ich Frauen und Kinder, die zwischen den behelfsmäßigen Behausungen umherliefen. Was mich jedoch am meisten faszinierte, waren die Menschen. Manche von ihnen hatten dunkles Haar. Auch wenn meins entgegen der Norm meiner Rasse kohlrabenschwarz ist, kann ich mich noch an meine Verwunderung erinnern. Ich schien in meinem bisherigen Leben noch nicht in Kontakt mit niederen Menschen gekommen zu sein. »Wer wohnt dort?« Ich deutete auf die Zeltstadt.
    »Die Familien der Arbeiter.«
    »Weshalb wohnen sie nicht in Häusern?« Es war die neugierige und unbefangene Frage eines Kindes, das bislang noch nie mit Armut konfrontiert worden war.
    Breanor räusperte sich und strich mit der rechten Hand durch seinen Bart, die andere umfasste noch immer meine Hand. »Fyn, nicht jeder hat so viel Geld wie wir. Nicht alle Arbeiter sind freiwillig hier. Ein Großteil von ihnen sind Gefangene, die etwas Böses getan haben und dafür bestraft werden.« Er stieß ein kurzes Lachen aus. »Dabei sollten sie sich glücklich schätzen, diese Chance geboten zu bekommen.«
    Obwohl ich seine Worte gehört hatte, vermochte mein kindliches Gemüt ihre Bedeutung noch nicht zu erfassen. »Dann werden sie gezwungen, so schwer zu arbeiten? Das tut mir leid.« Das tat es wirklich, denn zum ersten Mal seit unserer Ankunft fielen mir die schmutzigen und eingefallenen Gesichter der Arbeiter auf. Sie wirkten nicht gerade glücklich, eine Brücke für den König bauen zu müssen.
    Vater beugte sich zu mir herab und senkte die Stimme. »Du darfst kein Mitleid mit ihnen haben. Sie haben es nicht anders verdient. Der König gewährt ihnen die Aussicht auf Tilgung ihrer Schulden oder Erlassung ihrer Strafen, wenn sie für ihn diese Brücke bauen. Wenn du erwachsen bist, wird es deine Aufgabe sein, die Gesetze des Königs zu vertreten und Recht zu sprechen.« Seine Augen funkelten mich ermahnend an und ich wich unmerklich eine Handbreit zurück. »Du musst gerecht sein, aber du darfst dich nicht von ihrem Leid blenden lassen.«
    In Ermangelung einer Antwort nickte ich nur. Ich war kein wehleidiges und weinerliches Kind, trotzdem erschütterte mich die Strenge seiner Ermahnung. Selbstverständlich wusste ich schon damals, wie meine Zukunft aussehen würde. Vater hatte mir nie den Raum gelassen für andere Wünsche, mein Weg war vorbestimmt.
    Wie ich eingangs bereits betont habe, macht sich ein Kind über
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