Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts
Autoren: Nadine Kühnemann
Vom Netzwerk:
Jungen in die rabenschwarzen Augen. »Stan ist krank. Du könntest gar nicht mit ihm ringen, selbst wenn du es wolltest. Sein Säufervater hat ihn blau geschlagen.«
    Ich wollte ihm gerade sagen, dass mich das nicht interessierte, doch er fuhr unerbittlich fort. »Willst du deine Stärke nicht beweisen? Ich habe eine tolle Idee! An der Baugrube im Osten stehen die Arbeiten still, weil sie keinen Beton geliefert bekommen haben. Es führt ein Brett hinüber. Lass uns auf dem Brett ringen, das wird lustig!«
    Auch die anderen Jungen redeten sofort begeistert auf mich ein. Für gewöhnlich gab ich mich nicht mit derlei Unsinn ab, andererseits war ich eben doch nur ein Kind, dessen Neugier zumeist größer war als die Vernunft. Nachdem sie mir versicherten, ich dürfte bei der ersten Runde der Schiedsrichter sein, was meinen Befehlshaberfantasien erschreckend nahekam, ließ ich mich tatsächlich breitschlagen.
    Ich sah mich um. Vater war nirgends zu sehen, also warf ich mein schlechtes Gewissen über Bord und folgte den anderen Jungen.
    Der Dickwanst hatte nicht gelogen, tatsächlich standen die Arbeiten still. Wie ein hässliches Maul, das mit stählernen Zähnen gespickt war, erstreckte sich die Grube vor uns. Genau genommen handelte es sich natürlich nicht um Zähne, vielmehr ragten die Stahlträger eines unvollendeten Skelettbaus zwei Manneslängen weit aus ihrem Fundament heraus. Freilich hatte ich dies auch damals schon gewusst, denn meine Lehrer quälten mich Tag für Tag mit Wissen, das für einen Jungen meines Alters kaum angemessen war. Dennoch ist die Fantasie eines Kindes grenzenlos, weshalb ich mir einbildete, ein Ungeheuer bleckte seine Zähne. Ein Zaun umgab das gesamte Areal, doch die Jungen kannten eine Stelle, an der sich einer der Zaunpfähle leicht aus dem Boden heben ließ.
    Die Grube maß zu allen Seiten hin mindestens fünfzehn Yards, mehr als drei Yards ging es hinab bis zum Grund. Niemand schien es für nötig zu halten, sie zu bewachen, und erst recht suchte niemand nach drei schmutzigen Herumtreibern. Remy – so der Name des jüngsten Bengels, wie ich erfuhr – klärte mich darüber auf, dass die meisten Arbeiter mit dem Bau der Zugbrücke beschäftigt waren. Zudem wäre die letzte Lieferung Beton nicht angekommen, sodass man sich entschieden hatte, diese Baustelle vorerst ruhen zu lassen. Ich fragte ihn verwundert, weshalb niemand sie bewachte. Remy zuckte nur die Achseln und meinte, dafür gäbe es kein Personal. Ich fragte nicht weiter nach.
    Wir kletterten eine Weile auf den Stahlträgern herum. Obwohl mich die anderen Jungen immer noch mit meinem absonderlichen Äußeren aufzogen, begann ich ihre Gesellschaft zu genießen. Die Gegenwart anderer Kinder war mir fremd, ich wuchs allein auf. Kann man es mir tatsächlich verübeln, wenn ich mich altersgemäß verhielt und mit anderen Kindern spielte? Aus heutiger Sicht bin ich beinahe geneigt, dies zu bejahen, denn ich bringe die Ereignisse, die meinem Ungehorsam folgten, mit dem Beginn meines seelischen Verfalls in Verbindung.
    Der Name des speckigen Jungen war Scott. Er erzählte mir von seinen vier Geschwistern, mit denen er sich häufig prügelte. Zum damaligen Zeitpunkt wusste ich mit den Worten Bruder und Schwester nichts anzufangen. Ich ließ es darauf beruhen und beschloss, Vater bei Gelegenheit danach zu fragen. Natürlich wollten die Jungen auch meinen Namen erfahren. Nachdem ich ihnen wahrheitsgemäß mit »Fynrizz« antwortete, brachen sie in schallendes Gelächter aus. Ob das eine Krankheit sei, fragte Remy. Ich sparte mir die Erklärung, dass es sich dabei um ein Wort in der alten alvischen Sprache handelte, die nur noch in vornehmen Klassenzimmern gelehrt wurde. Vermutlich hätten sie ohnehin nicht aufgehört, mich zu hänseln. Mein Unmut wuchs, und mit ihm meine Wut.
    Nachdem wir eine Zeit lang auf den Baumaschinen herumgeklettert waren, erinnerte uns Scott an unser Vorhaben, unseren Mut zu beweisen, indem wir über das schmale Brett balancierten, das sich von einer zur anderen Seite der Grube erstreckte. Vermutlich benutzten die Bauarbeiter es als Abkürzung, um nicht jedes Mal um die Baustelle herumlaufen zu müssen. Delian brach zwei morsche Latten aus dem Zaun und warf Scott eine davon vor die Füße.
    »Damit können wir besser das Gleichgewicht halten«, sagte er. »Wir fangen in der Mitte an. Wer es schafft, seinen Gegner an das Ende des Brettes zu drängen, hat gewonnen.« Scott nickte und nahm die Latte auf, Remy
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher