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Fyn - Erben des Lichts

Fyn - Erben des Lichts

Titel: Fyn - Erben des Lichts
Autoren: Nadine Kühnemann
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derlei Dinge keine Gedanken. Es empfindet alles als richtig, was seine Eltern tun. Und so habe ich auch damals widerspruchslos hingenommen, was Vater mir mitteilte.
    Wir gingen gemeinsam auf das stählerne Gerippe zu. Mittlerweile hatten die Männer die Metallplatte von außen angenagelt. Es handelte sich anscheinend um eine Art Verkleidung. Als wir uns näherten, nahm ich den modrigen Geruch des Flusses Niral wahr, der sich an dieser Stelle als eine seicht dahinfließende, fünf Yards breite Wasserfläche durch die Stadt schlängelte. Ich sah die Böschung hinunter und blickte auf einen gigantischen, an einen Motor angeschlossenen Kohlenkessel. Wie eine dampfbetriebene Zugbrücke funktionierte, wusste ich genau.
    Ich weiß nicht, wann man damit begonnen hatte, mich auf ein Leben als Mitglied der Weißen Liga des Königs vorzubereiten, aber die Tatsache, dass ich bereits in diesem Alter über ein fundiertes technisches Wissen verfügte, ließ Rückschlüsse auf eine vielleicht doch nicht ganz unbeschwerte Kindheit zu.
    Die folgenden Ereignisse haben sich nicht besonders tief in mein Gedächtnis gegraben, denn ich kann mich nur noch daran erinnern, wie Vater mir einen langen und breiten Vortrag über die Technik von dampfbetriebenen Zugbrücken hielt. Seine genauen Worte sind mir in der Bedeutungslosigkeit ihres Inhalts abhandengekommen. Er führte mich über die Baustelle und betonte immer wieder, wie wichtig es für mich sei, mir diese Dinge zu merken. Aus mir sollte ein Genie werden. Und da sich der siebenjährige Knabe nach Lob und Anerkennung sehnte, sog ich brav alles in mich auf.
    Mir fielen die in Ehrfurcht gesenkten Köpfe der Arbeiter auf, die den Blick abwandten und sich bemühten, beschäftigt auszusehen, wenn Vater an ihnen vorüberging. Wir mussten in unseren strahlend weißen Gewändern wie zwei Fremdkörper zwischen all den dreckbeschmierten Menschen ausgesehen haben. Ich empfand Stolz darüber. Wir unterschieden uns von den armen Menschen, ja sogar von unseren anderen Artgenossen, denn wir lebten im Perlenturm auf dem Palastgelände von König Castios. Obwohl ich mitnichten das wahre Leben auf den Straßen von Elvar kannte, wusste ich dennoch um unseren besseren sozialen Stand.
    Ich war kein Jammerlappen. Das hätte ich nie sein dürfen, ohne mir einen ordentlichen Tadel einzuhandeln, doch ich spielte bereits mit dem Gedanken, Vater über meine abgefrorenen Hände und Füße zu unterrichten. Auch seine gerötete Nase zeugte von der Kälte, der Atem stand ihm in weißen Wolken vor dem Gesicht. Zum Glück ersparte er mir das Quengeln, denn nach einer schier endlosen Führung über das Gelände schlug er schließlich vor, den Rückweg anzutreten.
    In einer Seitenstraße wartete die Kutsche auf uns. Der Kutscher sah genauso verfroren aus wie wir. Beinahe hatten wir sie erreicht, als ich hinter uns schnelle Schritte auf dem Kopfsteinpflaster hörte. Wir wandten zugleich die Köpfe. Zwei Männer von der Baustelle kamen auf uns zugerannt, ich hatte sie zuvor dabei beobachtet, wie sie an der Brücke arbeiteten. Ich blickte zu Vater auf, der ein Seufzen ausstieß. Durch seinen dichten Bart hindurch sah ich, wie sich sein Mund zu einem Strich zusammenpresste.
    Die Männer blieben abrupt vor uns stehen. Der eine – ein in den Augen eines Kindes alter Mann, obwohl wahrscheinlich gerade in den Vierzigern – deutete eine Verbeugung an, der andere, vielleicht halb so alt, nickte bloß.
    »Herr, Sie müssen uns helfen«, sagte der Ältere. »Mein Name ist Selim Nedally.«
    Der andere Mann trat einen Schritt näher. »Und ich heiße Dean Hawtrey.«
    Breanor machte eine Geste, die sie zum Schweigen brachte. »Weshalb haben Sie es auf einmal so eilig? Ist Ihnen erst jetzt eingefallen, wie dringend Sie meine Hilfe benötigen?« Er ließ meine Hand los, ich trat einen Schritt zurück. Ich fühlte mich mit einem Mal überflüssig.
    Mr. Nedally schüttelte den Kopf. »Ich wollte Sie nicht belästigen, solange Sie mit Ihrem Sohn beschäftigt waren.«
    Vater straffte die Schultern und baute sich aufrecht und steif vor den Männern auf, Soldat durch und durch. Der Kontrast hätte nicht größer sein können, denn die beiden schmutzigen Bauarbeiter wirkten neben ihm wie ein unliebsamer Fleck auf einer weißen Serviette. »Was ist Ihr Anliegen?«, verlangte Breanor zu wissen.
    »Mr. Hawtrey hat mich bestohlen«, sagte Mr. Nedally, woraufhin Mr. Hawtrey heftig protestierte. Sein Gesicht färbte sich rot, was selbst unter der
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