Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
zu, aber es ist sinnlos. Schade um die Kraft, überlegt er. Wieso sollten sie mich auffischen, wenn sie die anderen am Boot erschlagen?
    »Stop!« ruft ein Matrosengefreiter. »Das ist doch einer von uns.«
    »Ausverkauft«, flucht ein Maat. Aber er sieht zu Fährbach hin, der die blaue Uniform trägt, die ihm Christian verschaffte, und mit der er flüchten wollte.
    Sie rudern das Schlauchboot zu ihm hin. Gerade als Georg sich wieder in den Tod fügen will.
    Er merkt, daß sie ihm zu Hilfe kommen.
    Sie greifen nach seinem Arm.
    Er ist zu schlapp um nachzuhelfen.
    Zu dritt hieven sie ihn hoch. Fährbach fällt um wie ein nasser Sack, ist bewußtlos.
    Er kann nicht mehr erfassen, daß ihn die Uniform seines Freundes rettete …
    So verzweifelt Christian Straff auch nach Jutta sucht, er kann sie nicht finden. Sie ist tot. Die Strömung treibt sie ab. Und so bleibt dem Funkoffizier wenigstens erspart, sie noch einmal zu sehen.
    Er trägt eine Schwimmweste und hat damit eine Chance zu überleben. Aber er ist eingekeilt von Ertrinkenden. Sie hängen sich an ihn, zu zweit, oft zu dritt. Sie ziehen ihn nach unten.
    Christian wird vom Wasser überspült, spuckt. Die trübe Brühe nimmt ihm den Blick. Seine Augen sind rotgerändert. Es bleibt ihm keine Wahl. Er boxt sich durch. Er schlägt nicht blindlings um sich, wie sich die Hilflosen an ihn hängen, er drischt sie gezielt zusammen: mit der Handkante an die Schläfe, mit der Faust an das Kinn. Es ist ihm so, als ob er sich jedesmal selbst träfe. Aber es heißt: Rette sich, wer kann …
    Und er kann sich retten, da er eine Schwimmweste hat, da er kräftiger ist als die armen Teufel, die nach jahrelanger Haft nicht begreifen wollen, daß die Freiheit, von der sie träumten, mit ihrem Tod beginnt.
    Die ›Cap Arcona‹ saugt sich mit Wasser voll wie ein Schwamm. Das Feuer wälzt sich breit über die Decks. Mittschiffs qualmt der graue Koloß wie eine riesige Fackel.
    Christian denkt an Jutta und will aufgeben. Er spürt die ganze Verzweiflung. Er überlegt, ob wenigstens Georg durchgekommen ist. Vielleicht, denkt er, gibt es für den Freund und Marion nach allem noch so etwas wie ein Glück, vielleicht … Er fragt sich, warum er eben noch mit wuchtigen Schlägen gegen die Panik vorging.
    In diesem Moment sieht er den Sturmbannführer Langenfritz. Er liegt bäuchlings auf einem Tisch, hat ein Holzbein abgebrochen und schlägt wild auf alle ein, die sich an ihn heranarbeiten wollen.
    Mit zwei kräftigen Stößen ändert Christian die Richtung. Er schwimmt von hinten an den Mann heran, der ihn hängen wollte. Den Mann, der für eine Unzahl von Verbrechen verantwortlich ist.
    Den Mann, der gestern den Häftlingen die Schwimmwesten wegnahm.
    Den Mann, der seinen Kapitän Bertram mit der Pistole bedrängte.
    Langenfritz merkt, daß einer versucht, von rückwärts an ihn heranzukommen. Er rudert den Tisch, auf dem er liegt, auf die andere Seite.
    Im gleichen Moment taucht Christian Straff unter, schwimmt an ihn heran, wirft im Auftauchen den Tisch um.
    Der Sturmbannführer kullert in das Wasser und schießt sofort wieder hoch, sucht mit verzerrtem Gesicht den Angreifer, erkennt Straff. »Sie Schwein!« keucht er.
    »Ich, Herr Sturmbannführer!« Der Funkoffizier modelliert die Worte genüßlich zwischen den Zähnen. »Sie hätten nicht davonlaufen sollen vor den Tieffliegern, Herr Sturmbannführer!« Er wischt sich die Haare zurück. »Sie hätten mich noch aufhängen sollen, Herr Sturmbannführer!« Er spuckt das Wasser aus und schreit: »Sie sind reif, Herr Sturmbannführer!«
    Christian Straff stürzt sich mit einem Satz auf Langenfritz, greift ihn am Kopf, würgt ihn am Hals.
    Der Mann wehrt sich, schlägt zurück. Auch er trägt eine Schwimmweste, die sie immer wieder hochbringt.
    Sie schlagen und drosseln einander bis zur Erschöpfung. Sie sind blind für alles, was um sie herum vorgeht, und sie hassen mit einem Atem.
    24 Stunden später werden sie aufgefischt – tot, und jeder hat die Hand an der Kehle des anderen …
    Auf der ›Cap Arcona‹ bleibt dem Selbstschutz der Häftlinge nichts anderes mehr übrig, als zu versuchen, selbst zu überleben. Melber läßt die Toten und Leichtverwundeten über Bord werfen. Mittschiffs ist nichts mehr zu tun. Es ist sinnlos, Verwundete zu bergen, denn das Feuer versperrt sämtliche Zugänge zu den Lazaretts.
    Die Überlebenden drängen sich auf dem Vorschiff zusammen. Der Wind hat gedreht und bläst das Feuer in die andere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher