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Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen
Autoren: Will Berthold
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Männer zu hängen.
    »Zuerst die kämpfende Truppe!« brüllt der Sturmbannführer. »Es tut mir leid.«
    Christine bleibt mit hängenden Armen stehen. »Du bist doch Geheimnisträgerin«, fährt sie Langenfritz an und stößt sie in das Boot.
    »Ihr Schweine«, ruft ein Mädchen. »Ihr feigen Schweine.«
    »Seid doch vernünftig, Kinder«, sagt der Sturmbannführer. »Schließlich habe ich doch die Verantwortung. Ihr kommt alle in das nächste Boot. Und überhaupt kommt uns gleich die Marine zu Hilfe.« Er sieht zu den Marineleuten hin, die das Boot zu Wasser lassen sollen.
    In diesem Moment betritt Christian Straff mit Jutta das Oberdeck. Er übersieht die Situation. »Rasch«, sagt er, »du mußt mit.«
    »Und du?« fragt Jutta und zögert.
    »Ich komme sofort nach. Verlier keine Zeit«, drängt der Freund. »Ich komme bestimmt.« Christian muß das Mädchen anschieben.
    Sie geht die wenigen Meter wie über ein Seil und steht vor dem Sturmbannführer, ihrem Vater.
    »Du?« sagt er und starrt auf das überbesetzte Boot. Er zögert, flucht und schüttelt den Kopf. »Dreiling«, sagt er zum Hauptsturmführer und faßt ihn am Arm, »dann kommen Sie mit dem nächsten.«
    »Ich?« schreit Dreiling mit irren Augen.
    »Wenn Sie den Befehl verweigern, schieße ich Sie über den Haufen.« Langenfritz gibt den anderen Männern einen Wink.
    Sie helfen mit Füßen und Fäusten nach, stoßen den Vogelkopf an Bord zurück und ziehen die zitternde Jutta hinein.
    Christian Straff wirkt erleichtert. Er tritt näher heran und verfolgt, wie das Boot zu Wasser gelassen wird. Er sieht Jutta, eingekeilt zwischen Männern, die er haßt und die sich, ihr Gefolge zurücklassend, als erste in Sicherheit bringen. Aber Jutta ist unter ihnen und hat eine Chance.
    In diesem Moment geschieht es.
    Ganz plötzlich.
    Das hintere der schlechtgefierten Taue reißt. Die Insassen des Bootes knallen wie Fallobst vom Baum. Mit einem entmenschten Schrei stürzen sie 20 Meter tief. In der nächsten Sekunde reißt auch das andere Tau.
    Das schwere Boot saust nach unten, mitten in die ziellos umhertreibenden Schiffbrüchigen hinein.
    Aus, denkt Christian Straff.
    Er zwingt sich gewaltsam, nach unten zu sehen …
    Kurz nach 15 Uhr überfliegen wieder einige Tiefflieger die Bucht von Neustadt und schießen zum letztenmal mit Bordwaffen und Raketengeschossen in das brüllende, brennende, rauchende, qualmende, erbarmungslose Inferno.
    Während jetzt die Panzerspitze den Stadtrand von Neustadt erreicht, weiß die Royal Air Force noch immer nichts von ihrem verhängnisvollen Irrtum. Sie hat Hochbetrieb an diesem Tag. Im englischen Frontbericht steht wörtlich: »Bomber und Jagdflugzeuge flogen massierte und erfolgreiche Angriffe gegen die Massen der deutschen Truppen auf den Straßen in Schleswig-Holstein und auf Schiffe, die versuchten, Dänemark von Kiel, Flensburg und anderen Häfen der Ostküste Schleswig-Holsteins aus zu erreichen. An die 250 bis 300 Schiffe wurden angegriffen, darunter ein Konvoi von über 50 Einheiten. Am Ende des Tages waren die Gewässer nahe Kiel, Flensburg und Lübeck angefüllt mit brennenden Schiffen.«
    Seit Marion Fährbach weiß, daß Georg als Häftling an Bord der ›Cap Arcona‹ ist, hält sie es auf dem Bauernhof nicht mehr aus. Sie übergibt ihren Jungen einer Nachbarsfrau und schließt sich einer nach Neustadt fahrenden Wehrmachtskolonne an.Kurz nach Erreichen des Stadtrandes prallt die Einheit, eine Nachschubkolonne, auf die englische Panzerspitze und flitzt auseinander.
    Die junge hilflose Frau steht plötzlich allein auf der Straße.
    Sie starrt die Panzer an, ohne zu begreifen, daß es Engländer sind und welche Gefahr ihr droht, wenn die Briten, von deren Fahrzeugen sie auf einmal eingekeilt ist, auf Widerstand stoßen.
    Der Verteidigungskommissar forderte die Zivilbevölkerung auf, die Stadt bis zum letzten Stein zu verteidigen. Alle Straßen sind leer. Kein Schuß fällt. Aus den ersten Fenstern hängen weiße Bettücher.
    »Damned! What are you doing here?« fährt ein englischer Offizier Marion an. Er hat ein schmutziges, schmales Gesicht, in dem noch die Strapaze hängt.
    »I am looking for my husband«, erwidert Marion und deutet Richtung Hafen.
    Der hagere Captain sieht nicht das hilflose Gesicht mit den dunklen, schwimmenden Augen, nicht die zierliche Figur, nicht die Angst. Aber er hört die englischen Worte und fragt rasch: »Do you speak English?«
    »Yes«, bejaht sie.
    »Come on with me«, er bedeutet
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