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Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen
Autoren: Will Berthold
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Christian Straff konnte sich noch eher beherrschen, aber Georg Fährbach lernte es nie. Er war groß, breitschultrig, blond, ein Wikinger, der sich wie ein Michael Kohlhaas aufführte.
    Als Fähnrich ließ man die beiden zum ersten Male auf die Passagiere los. Es war eine Kreuzfahrt im Mittelmeer. Die Sterne glänzten wie Edelsteine. Die Nacht war blau und verträumt, und die beiden waren verliebt in das Leben, hungrig auf die Liebe, flott anzusehen, denn die Reederei, der sie dienten, verlangte nicht nur erste seemännische Kenntnisse, sondern auch gute Manieren und blendendes Aussehen.
    Christian landete wahllos bei den Frauen, die ihn landen ließen. Georg war zurückhaltender, beherrschter; deshalb passierte ausgerechnet ihm die Sache mit Lucienne, der zu jungen Frau eines zu alten Mannes.
    Sie hatte dunkle Haare, ein aufreizendes Parfüm, wertvollen Schmuck. Sie war kokett, hatte einen Körper, nach dem sich jeder umdrehte, und sie tanzte, leicht in den Armen, beschwingt, bis der Rhythmus ihren Partner erfaßte, bis sie in einem Atem, in einem Schwung, mit einem Lachen herumwirbelten.
    Meistens war der Tänzer Georg Fährbach. Ein paarmal setzte sein Freund Christian zu einem Störversuch an. Aber Lucienne hatte sich entschieden und flirtete mit dem anderen ›Zwilling‹, während ihr rundlicher Mann meistens an der Bar saß und den Umstand ausnutzte, daß der Schnaps zollfrei ausgeschenkt wurde.
    Lucienne und Georg gingen an das Oberdeck. Sie standen an der Reeling. Christian folgte ihnen, lauerte etwas abseits und grinste. Seinen Freund mit den spröden Worten und den sicheren Händen hatte es erwischt. Er brannte wie Stroh.
    Strohkopf, dachte Straff und freute sich.
    »Magst du mich?« fragte Lucienne.
    »Ich hab' dich lieb.«
    »Wie lange?«
    »Immer.«
    »Schwindler.«
    »Nein, Lucienne …«
    »Wie vielen Frauen hast du es schon gesagt?«
    »Ich glaube … keiner.«
    »Du lügst«, sagte Lucienne.
    »Man sieht nicht nach hinten, Lucienne«, sagte Georg, »sondern nach vorn.«
    »Das ist auch gut so«, brüllte Christian Straff, der falsche Freund, aus seiner Deckung heraus, »denn da vorn kommt Ihr Mann, Madame!«
    Die beiden fuhren auseinander.
    Christian ging lachend an die Bar, um noch einen zu kippen, und da er sich nicht entscheiden konnte, ob er sich an die blonde Karin, an die rote Dorit oder an die schwarze Lulu halten sollte, kippte er so viele, daß er sich am Schluß an seiner Koje festhalten mußte.
    Dann wurden die ›Zwillinge‹ auseinandergerissen. Straff kam auf die ›Cap Arcona‹, Fährbach auf die ›Monte Rosa‹. Sie bombardierten die Reederei mit Versetzungsgesuchen. Schließlich, 1939- beide hatten sich bewährt, beide waren jetzt schon dritte Zweite-, hatten sie das bindende Wort ihrer Linie, künftig wieder auf dem gleichen Schiff fahren zu dürfen.
    Aber dann kam der Krieg. Sie erhielten ihren Stellungsbefehl. Christian Straff kam auf ein Minenräumboot; Georg Fährbach übernahm das Kommando eines Schnellboots, wurde bei der Kriegsmarine eine Tagesberühmtheit, als er fünf-, sechsmal einen britischen Zerstörer angriff, um ihn zu versenken.
    Die Freunde waren auseinandergerissen. Ab und zu eine Karte, ein Feldpostbrief. Einmal sogar ein gemeinsamer Urlaub. Zuletzt, vor der endgültigen Trennung, ein gemeinsamer Kurs.
    Abschlußball. Die Truppenbetreuung hatte ein reichhaltiges Programm zusammengestellt: Tanz, Kabarett, Gesang. Im Mittelpunkt stand eine junge Frau mit einer klugen Stirn, einem vollen Mund, mit dunklen, sprechenden Augen, mit einer schmalen, zierlichen Figur und einer Sopranstimme, die den ganzen Saal verzauberte.
    Später saß sie zwischen Christian und Georg, und die beiden warben um sie, und beide wußten sie, daß es diesmal kein Sport war …
    »Fertig!« sagt Möhrenkopf.
    »Was?« fragt Christian Straff zerstreut.
    »Na, der Reichssender ›Untergang‹«, versetzt der Maat und deutet auf das Mikrophon.
    Die anderen Techniker stehen herum und warten auf ein Lob.
    »Haben wir Schallplatten?« fragt der Funkoffizier.
    »Ja«, erwidert Möhrenkopf, »aber die Auswahl ist beschränkt!« Er nimmt die erste. »Preußens Gloria.«
    »Das spielen wir lieber erst, wenn wir am Ziel sind«, entgegnet Straff.
    »Für eine Nacht voller Seligkeit«, feixt der Maat.
    »Wohl auch nicht ganz angebracht.«
    »Dann habe ich nur noch den Donauwellen-Walzer zu bieten.«
    »Gerade das Richtige, um unsere Passagiere einzuschläfern«, versetzt der Funkoffizier.
    Aber bevor
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