Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühling der Barbaren

Frühling der Barbaren

Titel: Frühling der Barbaren
Autoren: Jonas Lüscher
Vom Netzwerk:
Bademeisters Siegesgeheul erklungen war, begriff Quicky, dass die Sache aus dem Ruder gelaufen war, aber er verstand auch, dass es aus diesem Wahn kein Zurück mehr gab, griff das Kamel kurz beim Strick, riss es mit Gewalt und Tritten gegen das Knie zu Boden, kniete sich unter dem Geheul seiner ehemaligen Mitarbeiter auf den Hals des klagenden Tieres, das ihn aus großen, verständnislosen Augen anglotzte, und rammte ihm mit aller Kraft die lange Klinge treffsicher ins Herz.
    Es war ein lang gezogener, heiser klagender Schrei, den das sterbende Tier ausstieß und der vom Wind durch den Palmenhain getragen wurde, die Zeltbahn durchdrang und die beiden Ringenden aus ihrem aufgeheizten Kampf aufschrecken ließ.
    «Mit stockendem Herzen standen wir uns in meinem Zelt gegenüber, den umgestoßenen Wasserkrug zwischen uns. Instinktiv wussten wir beide, dass wir ein Wesen hatten sterben hören. Ich plädierte fürs Dableiben, Pippa wollte Gewissheit. Widerstrebend ließ ich mich von ihr hinterherziehen, hin zum Pool, von dem wüstes Geschrei und aufgeregtes Bellen zu uns drangen. Hinter einer niedrigen Mauer versteckt, uns wie die Ertrinkende umklammernd, wurden wir Zeugen einer Szenerie, wie sie sich wohl seit dem Rasen der Bakchen am Kithairon schrecklicher nicht ereignet hatte. Man hatte das tote Kamel an den Hinterbeinen, mit vereinten Kräften an einem Strick ziehend, an den galgenförmigen Ständer eines großen Sonnenschirms gehängt und mit scharfem Hieb den Leib aufgeschnitten, sodass die Gedärme auf die glasierten Fliesen quollen. Eine magere Brünette in knappen Shorts und Bikini wühlte bis zu den Ellenbogen versunken in dem Tier, während andere sich bemühten, dem Kadaver das filzige Fell vom Leib zu ziehen. Quicky brachte mit einem gezielten Hieb die Hündin zum Schweigen, die panisch am Beckenrand stehend ihr leblos treibendes Herrchen angekläfft hatte. Dann nahm er sich die winselnden Welpen vor und schnitt einem nach dem anderen die Kehle durch. Wie gelähmt von diesem grausigen Schauspiel, unfähig uns zu rühren, unfähig einzuschreiten oder, was sinnvoller gewesen wäre, zu fliehen, blieben wir hinter unserer Mauer sitzen, während einige der Losgelassenen mit den hölzernen Sonnenliegen im Sand unter den Palmen ein großes Feuer entfachten und andere die Hunde ausweideten, um schließlich in einer grotesken, an Wahnsinn nicht zu überbietenden Umkehrbewegung, die Welpen in den mageren Mutterleib zurückzustopfen und die tote Hündin, mit ihrem von ihrer gemeuchelten Brut geschwollenen Leib, in die blutrote klaffende Höhlung des Kamels zu verfrachten. Die Sonnenliegen loderten lichterloh, als man sich daranmachte, das gefüllte Kamel zum Feuer zu schaffen, doch so weit kam es nicht, denn das Feuer setzte den trockenen Bast am Stamm einer Palme in Brand und fraß sich in Sekundenschnelle den langen, schlanken Stamm hoch, wo die Palmwedel mühelos in Brand gerieten, sodass die ganze Palme knisternd und knackend wie eine Fackel gegen die einbrechende Dämmerung ragte.»
    Als das Feuer, vom warmen Wüstenwind genährt, auf die umliegenden Palmen übergriff und die Meute unter dem Regen der glühenden Palmwedelgerippe auseinanderstob, ergriffen auch Pippa und Preising die Flucht, doch der tobende Brand versperrte ihnen den Weg zum Ausgang, und durch Rauch und Flammen hindurch suchten sie nach einem Fluchtweg, sich bald im dichten Qualm aus den Augen verlierend. Panisch rufende Engländer rannten um die brennenden Stämme. Über ihren Köpfen zerbarsten in der Hitze des Feuers, knallend wie Pistolenschüsse, die Dattelkerne. Die Zelte loderten kurz auf und fielen wie abgeschossene Vögel auf das kostbare Mobiliar. Preising rannte, einen großen Bogen schlagend, in Richtung Hauptgebäude, den Namen seiner Gefährtin rufend. Hinter ihm stand bereits die halbe Oase in Flammen. Erlösend drang der helle Strahl kräftiger Autoscheinwerfer durch den Rauch. Er hörte seinen Namen rufen, ließ sich von Saida auf die lederne Rückbank eines Geländewagens bugsieren, den ihr Fahrer offenbar gerade rechtzeitig durch den Hintereingang gebracht hatte. Hustend, halb erstickt, blind vom beißenden Qualm, mit angesengtem Haar und glühenden Palmwedelfragmenten im Kragen, spürte er, wie der kräftige Geländewagen losbrauste. Vor ihnen versperrten brennende Stämme den Weg. Der Fahrer setzte zurück, umkurvte die Gebäude, preschte über die Blumenrabatten auf das Halbrund der Auffahrt, umrundete mit qualmenden Reifen den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher