Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühling der Barbaren

Frühling der Barbaren

Titel: Frühling der Barbaren
Autoren: Jonas Lüscher
Vom Netzwerk:
Dingen stehend, so dachte er, während er mit leiser Wehmut die lecke Rosenwasserflasche im Papierkorb versenkte. So war er, dieser Preising. Sie aber, von den widersprüchlichsten Empfindungen gepeinigt, gedemütigt, gekränkt, voll heißer Eifersucht und kaltem Hass, kaprizierte sich nun auf die Jugend ihrer Kontrahentin, wohl wissend, dass auf diesem Feld ein faires Kräftemessen aus Gründen der Biologie von vornherein ausgeschlossen war, und peinigte Preising mit der Frage, ob er denn gesehen habe, wie geschmeidig sie sei – er hatte, bestätigte er mit einem stummen Nicken, wiewohl ihre Frage eher rhetorischer Natur war und sie auf seine Bestätigung gerade keinen Wert legte –, und eigentlich sei sie gar nicht auf Jenny eifersüchtig, fuhr sie fort, denn diese könne sich ja jetzt mit dem alten, besserwisserischen Schwachkopf auseinandersetzen, nein, eigentlich sei sie auf Sanford eifersüchtig, sie neide ihm Jennys Geschmeidigkeit. Ich will, so sagte sie, mit den Fäusten auf Preisings weiche Daunenkissen einschlagend, einen Schwanz haben, ich will sie vögeln können, die geschmeidige Jenny. Bei diesen Worten kämpfte Preising, die Kraft der Imagination verfluchend, gegen das Aufsteigen einer wahren Bilderflut hinter seiner schweißnassen Stirn, sodass ihm keine Kraft mehr blieb, sich der Engländerin zu erwehren, die ihn plötzlich mit den Beinen umschlungen hielt und ihn mit starker Hand im Nacken gepackt hatte. Es wäre zweifellos zum Äußersten gekommen, und das hätte vermutlich beiden in ihrer Verwirrung nicht gutgetan, wären sie nicht aufgeschreckt vom markerschütternden Todesschrei eines verendenden Kamels.
    An dieser Stelle unterbrach Preising abermals unseren Gang. Ich ging einige Schritte weiter, in der Hoffnung, ihn damit zum Weitergehen bewegen zu können, aber er blieb unbeirrt stehen, die Hände in die Hüfte gestemmt. «Es wäre nicht richtig gewesen», sinnierte er. «Ich war es nicht, den Pippa meinte. Sie träumte davon, einen Phallus zu haben und die geschmeidige Jenny zu penetrieren.» Und als hätte er damit irgendetwas klargestellt, nahm er seinen Gang der gelben Mauer entlang wieder auf, und ich folgte ihm.
    Der Lärm, dem Preising ausgewichen war, als er sich auf die Suche nach einer Mahlzeit gemacht hatte, wurde von jener Gruppe, die sich um Quicky und Willy geschart hatte, verursacht und war vor allem darauf zurückzuführen, dass die Biervorräte langsam zur Neige gingen und die unbefriedigende Ernährungslage – man hatte seit dem bisschen Fladenbrot zum Frühstück nichts mehr zu essen bekommen – langsam auf die Stimmung schlug, sodass die existenzielle Sorge, die sich jeder Einzelne machte, die sich aber, um Quicky nicht zu enttäuschen, keiner zu äußern traute, in einer kollektiven Aufwallung der Unzufriedenheit zum Ausdruck kam. Quicky als erfahrener Anführer begriff schnell, dass er nun Maßnahmen zu ergreifen hatte, und unter seiner Führung begab man sich zum Küchentrakt, wobei man auf dem Weg dahin keinem einzigen der dienstbaren Geister begegnete, die noch am Vortag das Gelände in höchst diskreter Weise bevölkert hatten. Dafür traf man auf eine Gruppe trauriger Gestalten, unter ihnen das Brautpaar, die, ihre Koffer hinter sich herziehend, Saidas Räumungsbefehl Folge leisteten und nun auf dem Weg waren, der kleinen Norwegerin Gesellschaft zu leisten, die an der Außenmauer des Resorts versonnen in die endlose Wüste blickte und von einer Vitrine voller bunter Kuchen träumte. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel, der aber leidenschaftslos blieb, denn man hatte sich bereits zu weit voneinander entfernt, als dass man sich noch viel zu sagen gehabt hätte. Wie zwei fremde Völker, ein jedes mit seinem Ritus beschäftigt, zog man aneinander vorbei.
    Quickys Saubannerzug verschaffte sich ungehindert Zugang zur Küche, scheiterte aber, trotz der Zuhilfenahme eines schweren Fleischklopfers, an den massiven Stahltüren der Kühlkammern. Dann, so beschied Quicky, werde man eben auf die Jagd gehen müssen, und begann, seine Truppe mit den scharfen Klingen aus einem großen Messerblock zu bewaffnen. Das war der Moment, in dem sich Willy seiner Kinder und seiner Frau entsann und sich unauffällig absentierte.
    Im Folgenden führten zwei ebenso zufällige wie läppische Ereignisse zu einer Gemengelage, die in einer Katastrophe aus Feuer und Blut kulminierte.
    Zum einen war da der Kamelbesitzer, der falsche Tuareg und Rooney-Verehrer. Eigentlich war vorgesehen, dass er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher