Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen
Autoren: Jens Sparschuh
Vom Netzwerk:
– Eins zwei drei Jahre als Jäger
in den eigenen vier Wänden –
    Endlich, endlich! Mein Hallo-Berlin-Wochenhoroskop hatte grünes Licht gegeben!
    Damit Freitag, der alte Schnüffler, mich beim Überlegen nicht stören konnte, gab ich ihm ein paar Löffel Futter in die Schüssel. Dann wusch ich mir die Hände und setzte mich an den Küchentisch. – Er fraß. Ich überlegte. – Lesebrille brauchte ich nicht. Den Text kannte ich fast auswendig:
    Liebe: Rosige Zeiten sind in Sicht. Das Glück läuft Ihnen nun nach. Sie erleben eine unvergeßliche Woche.
    Beruf: Ein Plan entwickelt sich etwas ungewöhnlich. Kein Grund zur Beunruhigung. Treffen Sie Entscheidungen jetzt!
    Allgemeines: Bleiben Sie gelassen. Durch überlegtes Handeln können Sie gewinnen. Es kann nur besser werden!
    – Darüber sollte nachzudenken sein!
    Wie gewöhnlich hatte Julia (»Juli«) gegen 7.15 Uhr unsere gemeinsame Wohnung verlassen. Ich war noch zum Fenster gegangen, hatte hinuntergewinkt, atemlos von meinem Hochstand aus ihr ruppig rasantes Ausparkmanöver beobachtet, es nur hilflos, getarnt durch die Gardine, mit aufzuckenden Schmerzgrimassen kommentierend – dann aber: sofort an die Arbeit!
    Eintrag ins Protokollbuch: »Observationsobjekt J. verläßt gegen 7.15 Uhr die eheliche Wohnung (lila Lippenstift …!).
    Vorausgegangen am Vorabend: telefonische Absprache der J. mit einem gewissen Hugelmann oder Hugemann – offenbar der neue Abteilungsleiter (nähere Informationen liegen derzeit noch nicht vor). Es fielen im Gespräch wiederholt die Worte ›toll‹, ›das ist ja toll‹ und ›wirklich, das ist ja toll‹.«
    Am Abend zuvor – obwohl Julia »Ich geh schon!« aus dem Bad gerufen hatte, nahm ich den Hörer ab; ich stand gerade daneben. Auf mein geknurrtes »Hallo« hin, legte die Männerstimme am anderen Ende eine verdutzte Schweigesekunde ein, um dann, ziemlich unbeeindruckt übrigens, Frau Lobek zu verlangen, Betonung auf Frau.
    Die Stimme hätte ohne weiteres ja auch fragen können »Darf ich bitte Ihre Frau sprechen?« – aber nein, das tat sie nicht. Wahrscheinlich hatte sie Gründe dafür, in Julia etwas anderes als meine Frau zu sehen.
    Julia, direkt unter der Dusche hervor, nahm mir den Hörer aus der Hand. »Lobek …«, hauchte sie in die Sprechmuschel. An der Art, wie sie das sagte, merkte ich, sie hatte diesen Anruf erwartet.
    Und da telefonierte sie also, nackt und tropfnaß und ganz selbstverständlich mit diesem Hugelmann oder Hugemann. Ich wollte ihr den Bademantel holen, damit sie sich wenigstens, wenn sie schon mit diesem Herrn spricht, etwas überhängt. Aber sie klappte nur kurz, verneinend die Augenlider herunter, ein winziges Kopfschütteln, dann wischte sie mich mit einer abwinkenden Handbewegung einfach beiseite. (Ihr Mund halboffen –wahrscheinlich, um besser aufzuschnappen, was Hugelmann   /   Hugemann ihr ins Ohr flüsterte …)
    »Ich geh schon«, echote es in mir, »ich geh schon …«
    Ich mußte mich beruhigen. Also zog ich mich diskret in den Hobbyraum zurück, um mich dort meinen Laubsägearbeiten hinzugeben. Julia, über den Apparat gebeugt, ganz Ohr, schien das schon gar nicht mehr zu registrieren.
    Wohl aber registrierte ich, vom Hobbyraum aus, wo ich ein klein bißchen rumorte – an ernsthafte Laubsägearbeit war natürlich nicht zu denken! –, die eingangs protokollierten Wortfetzen.
    Das dazu. Und – ab damit zu den Akten!
    Julia hatte also, wie gewöhnlich, die Wohnung verlassen, ich – meinen Posten am Küchentisch bezogen. Für diesen Tag aber stand, anders als sonst, Wichtiges, Bedeutsames auf dem Plan: Ich mußte eine Bewerbung schreiben!
    Eigentlich wollte ich dieses wurstige Hallo-Berlin-Anzeigenblatt nicht mehr lesen. Ich schlug es nur wegen des Horoskops auf. Die Sterne lügen nicht! (Das können sie nämlich gar nicht; sie wissen ja auch nicht, was die Wahrheit ist …) Ohne abergläubisch zu sein, hatte ich aber bisher durchaus immer etwas Wahres in meinem Wassermann-Horoskop gefunden, oder anders: richtig falsche Tips gaben sie einem im Grunde genommen nie. Damals überzeugte mich vielleicht Punkt 1 (Stichwort Liebesleben ) etwas weniger – dafür aber um so mehr die Punkte 2 und 3, wobei letzterer (Allgemeines) geradezu speziell auf mich zugeschnitten zu sein schien.
    Auf der Nebenseite, unter den Stellenangeboten, hatte ich die kleine, unscheinbare Annonce gefunden. Normalerweise wäre sie mir gar nicht aufgefallen und schonbeim ersten Satz »Wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher