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Froschkuss (German Edition)

Froschkuss (German Edition)

Titel: Froschkuss (German Edition)
Autoren: Jo Berlin
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Arbeitsunterlagen, nur meiner war penibel aufgeräumt: der Bildschirm, die Tastatur mit Maus und das Telefon, sonst nichts. Ich überlegte kurz, den Rechner einer meiner Kollegen hochzufahren und wenigstens die letzte, noch nicht perfekte Version zu übertragen, aber alle Computer waren passwortgeschützt. Plötzlich hatte ich eine Idee: Leon, unser Computerfreak, der sein Büro ein Stockwerk unter unserer Redaktion hatte. Die Tür zu seinem Büro war geschlossen, deshalb klopfte ich zwei Mal, aber nichts regte sich. Ich wollte schon wieder gehen, als er seinen Kopf durch den Türspalt steckte.
    „Ja, was’n los?“, murmelte er verschlafen.
    Ich schob mich energisch an ihm vorbei in sein Zimmer, in dem das absolute Elektro-Schrott-Chaos herrschte. Auf dem ganzen Boden und dem Sofa, das in einer Ecke stand, lagen Teile von Computern, aus denen Kabel herausragten, alte Scanner und Drucker sowie jede Menge Stecker und Aufladegeräte. Schräg vor dem einzigen Fenster, das natürlich verschlossen war, weshalb es unangenehm muffig roch, stand Leons Schreibtisch mit drei Bildschirmen, deren Licht den Raum grünlich blau erhellten. Ansonsten gab es keine Lampe, nicht einmal an der Decke, dort baumelte nur ein einsames Anschlusskabel. „Ich brauch’ deine Hilfe“, erwiderte ich, „mein Mac ist abgestürzt“.
    Leon schlurfte zu seinem Schreibtisch und ließ sich auf den Bürostuhl, dessen eine Lehne abgebrochen war, plumpsen: „Das kann nicht sein“, sagte er und sah mich belustigt an. Er war nur einen halben Kopf größer als ich, hatte schmale Schultern und lange Arme, die er meistens schlaff hängen ließ, wenn er nicht gerade mit einem seiner noch nie gespülten Motiv-Kaffeebecher (Der frühe Vogel kann mich mal!) unterwegs war. Sein Gesicht war schmal, blass und fast ganz von einer schwarz umrandeten Brille bedeckt. Er strich sich eine Strähne seiner speckigen schwarzen Haare zurück: „Ein Mac stürzt nicht ab.“
    „Mann, keine Ahnung, das Ding geht jedenfalls nicht. Ich kann es auch nicht ausschalten. In zwei Stunden muss ich die Magazin-Datei in die Dropbox übertragen haben, sonst bin ich am Arsch.“
    Leon erhob sich stöhnend: „Okay, ich schau’ mir das mal an.“
    Zum Glück funktionierte der Power Button bei ihm auch nicht. Der Mac ließ sich einfach nicht ausschalten, daran konnte er zunächst einmal auch nichts ändern. Ich atmete erleichtert aus, denn es ist wirklich super peinlich, wenn man jemanden um Hilfe ruft, weil ein technisches Gerät (Handy, Fernseher, iPod) streikt, und bei demjenigen das Teil sofort ohne Probleme funktioniert. Leon überprüfte das Netzteil, dann versuchte er den Computer mit verschiedenen Tastenkombinationen wiederzubeleben, ohne Erfolg. Er wippte auf seinem Bürostuhl hin und her, als ob er auf einer Kinderschaukel sitzen würde. Unser Computerspezialist trug dunkelgrüne Cordhosen, ein verwaschenes T-Shirt mit der Aufschrift „New York“ und ausgelatschte No-Name-Sportschuhe. Er beugte sich nach vorne, den Blick weiterhin auf den Bildschirm gerichtet, schob sein rechtes Hosenbein etwas hoch, um sich zu kratzen. Beim Anblick seiner graugelben Tennissocke, dessen ausgeleiertes Bündchen nach unten hing, wie die Blüte einer verwelkten Tulpe, bekam ich unwillkürlich eine Gänsehaut. „Meinst du, du kriegst das hin?“, fragte ich schließlich.
    „Ich werde versuchen, deinen Mac über einen Stick zu booten. Wahrscheinlich muss ich Lion neu installieren.“
    „Aha“, erwiderte ich, obwohl ich kein Wort verstand. „Ich setze mich solange an Sophies Schreibtisch, dann hast du deine Ruhe.“
    „Mmm“, erwiderte Leon und drehte den Bürostuhl in meine Richtung. „Du musst aber auch etwas für mich tun.“
    „Wie meinst du das?“, fragte ich und dachte für einen Moment, er würde dafür vielleicht ein Date mit mir wollen, so wie er mich anstarrte.
    „Ich muss aus meiner Wohnung raus, spätestens Ende März. Ich dachte mir, ich könnte ein paar Tage bei dir wohnen, bis ich etwas Neues gefunden habe.“
    „Wie kommst du denn darauf? Spinnst du?“
    „Ich rette dir hier deinen Arsch, dann kannst du mir auch helfen“, zischte er wütend.
    Er erhob sich. „Okay, okay“, beruhigte ich ihn, „wenn es nur für eine kurze Übergangszeit ist, geht das klar.“ Ich lächelte gequält: „Kein Problem, Hauptsache die Datei ist rechtzeitig bei der Druckerei.“
    Leon hielt mir seine Hand entgegen: „Dein Wort?“
    Ich schlug ein: „Ja, mein Wort.“
    Nach einer
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