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Friesenherz

Friesenherz

Titel: Friesenherz
Autoren: Janna Hagedorn
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kurzen, süßen Moment an Sex zu denken. Irgendetwas in mir, das lange in Winterschlaf ge-legen hatte, war durch Jan zum Leben erwacht. Ein schönes, wildes Tier.
    Wer weiß, was sich mit dem Vieh noch anstellen ließ. Zähmen würde ich es jedenfalls nicht. Für irgendetwas musste es gut sein, dass ich diese Nacht überlebt hatte. Tandem-Ausflüge waren einfach nicht genug.
    Jan half mir an Bord des seltsamen Fahrzeuges, das vom zulaufenden Wasser bereits leicht angehoben wurde, und ließ mich vorsichtig in einen Sitz sinken. Ann kam hinterher. Dann betrachtete er mich forschend und kramte schließlich nach einer neuen Wolldecke für meine Beine.
    »Und außer dem Fuß? Sonst alles okay?«
    Wieder konnte ich den süßlichen Geruch an ihm wahrnehmen.
    »Wieso bist du überhaupt hier?«, fragte ich. »Ich wusste gar nicht, dass du auch noch als Rettungssanitäter tätig bist.«
    »Du weißt eine Menge nicht von mir, Baby«, sagte er cool, »aber weil du’s bist, verrate ich es dir. Ich wollte schon seit Wochen mal mit dem neuen RAVx6 fahren.«
    »Bitte, wie?«, fragte Ann amüsiert.
    »Na, unser neues Amphibienfahrzeug! Der heiße Scheiß für jeden Rettungseinsatz. Ist doch Bombe, oder?« Wie aufs Stichwort startete der Steuermann den Motor und hielt Kurs auf Boldsum.
    Insgeheim war ich erleichtert, dass Jan das Thema wechselte, aber schnell merkte ich, dass ich mich zu früh gefreut hatte. Gerade, als ich überlegte, welche technische Frage ich ihm stellen konnte, verfinsterte seine Miene sich wieder.
    »Jetzt mal Butter bei die Fische«, knurrte er. »Was hat euch auf diese Wahnsinnsidee gebracht, nachts alleine durchs Watt zu latschen?«
    »Meine Tochter«, sagte ich, »ich wollte sie suchen gehen.«
    »Zu Fuß? Am Meeresgrund?«
    »Ja. So ähnlich.«
    »Übrigens«, sagte er im Plauderton, »deine Tochter ist wirklich ein tolles Mädel.«
    »Ronja?« Ich blickte ihn verdattert an. »Aber …«
    »Ganz ehrlich«, Jan sah mich mit schief gelegtem Kopf an, »wenn das Mädel nicht gewesen wäre, ich weiß nicht, ob wir so schnell gewusst hätten, wo wir euch suchen müssen. Die ist gestern Abend jedenfalls hier im Hotel angekommen und hat sich furchtbar aufgeregt, dass du nicht auf dem Zimmer warst. Himmel und Hölle hat sie in Bewegung versetzt, vor allem, als sie versucht hatte, dich anzurufen, und danach keine Verbindung mehr zustande kam. Das arme Ding war so verzweifelt, dass ich sie gar nicht allein lassen konnte. Die halbe Nacht hab ich mit ihr auf dem Hotelbett gesessen und Händchen gehalten und ihr gesagt, dass ihre Mama sicher bald wiederkommt. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, so ganz geglaubt habe ich selbst nicht daran. Bis dann endlich euer Funkspruch in der Leitstelle ankam.«
    Ich hatte mich also nicht getäuscht: Ronja lebte! Ronja ging es gut! Ronja hatte sich Sorgen gemacht um mich, und sie war sogar ganz in meiner Nähe. Wir mussten uns um ein Haar verpasst haben. Wahrscheinlich war sie mit der letzten Fähre angekommen und gerade auf dem Weg zum Hotel gewesen, als ich wie von Sinnen in Richtung Hafen gerannt war, um mit demselben Schiff die Insel zu verlassen.
    Eigentlich hätte ich Jan vor Dankbarkeit weinend um den Hals fallen müssen. Stattdessen keifte ich ihn an.
    »Du hast die ganze Nacht mit Ronja Händchen gehalten?«, entrüstete ich mich. »Auf dem Bett? «
    »Was denkst du von mir?«, fragte er. »Ich bin doch ein Gentleman.«
    Ich lachte laut auf und merkte selbst, dass mein Lachen leicht hysterisch klang. Wer wollte es mir verdenken. Nach den Ereignissen der letzten Tage.
    »Du bist kein Gentleman«, gluckste ich, »du bist nicht mal ein Mann.«
    Er blickte mich finster an.
    »Weißt du, was du bist?«, fuhr ich fort. »Du bist ein kleiner Junge.«
    Unwirsch schüttelte Jan den Kopf. »Na toll«, beschwerte er sich, »ich rette dir das Leben, ich spiele Babysitter für deine Tochter, und du beleidigst mich.«
    Wenige Minuten später fuhr unser Fahrzeug holpernd auf dem Boldsumer Weststrand auf. Schon von Weitem sah ich sie dort ste hen, meine große kleine Tochter, die Haare windzerzaust, die Arme um den Körper geschlungen, als wollte sie sich selbst trösten.
    »Schau«, sagte Jan, »sie wartet schon auf dich.«
    Während er mich zum Aussteigen wieder um die Hüfte packte, brachte ich meinen Mund nah an sein Ohr.
    »Danke«, flüsterte ich hinein.
    »Da nicht für«, gab er schroff zurück. »Retten ist mein Job.«
    »Du hast mich auf eine ganz andere Weise gerettet«, flüsterte ich
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