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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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war zufrieden und glücklich in Genügsamkeit. In Dresden und Sachsen indessen hatten die letzten dreißig Jahre tiefe Spuren ihres Daseins hinterlassen, -- und wenn Weimar einem einfachen, ehrlichen und genügsam tätigen Landmanne glich, so war Dresden der üppige, arbeitsscheue Abenteurer, der hirnlose Schuldenmacher, der, ohne eigene Kraft, ohne Mittel, lediglich durch Aufwand den Kredit erkaufte, um größeren Aufwand zu treiben.
    Ludwig XIV., von seiner Zeit der Große genannt, hatte das blendende Menuett des Jahrhunderts eröffnet.
»L'etat c'est moi!«
, das war die Formel, der Lehrsatz, die Devise, die Ludwig auf das Banner der Zeit, den Kampfschild der Ausschließlichkeit geschrieben hatte. »Der Staat bin ich!«, das war die eherne Waffe, mit der die absolutistisch gewordene Autorität alles bekämpfte, was ihr vom Mittelalter her noch im Wege lag. Und in diesem Fürsten sahen alle Höfe, selbst die feindlichen, ihr Ideal. Der nie geahnte Glanz, den er um sich zu verbreiten wußte, war zu verführerisch, um nicht in Wien, Dresden und Petersburg begierig nachgeahmt zu werden. Es lag im ganzen Prinzip dieser Art von Regierung, gegen das eigentliche moralische Wesen der Herrschaft sich ignorant zu erweisen, von königlichen Pflichten nichts zu wissen, in allen den Dingen fördernd und bildend zu wirken, die zum individuellen Bedürfnis und Gelüst des Herrschers dienen mochten, hingegen allem mit eisernem Drucke entgegenzutreten, was diesen persönlichen Bedürfnissen widerstrebte. In jene Zeit fällt die Ausbildung des Militärwesens als eines Mittels zur Befestigung der Allmacht, in jene Zeit fällt der ausgesuchte Glanz und die Ermunterung der Industrie, soweit sie eben Luxus schuf, fiel das Ausbeuten und Großsäugen der Künste zum Nutzen der Höfe.
    Unter allen gekrönten Nacheiferern des großen Ludwig war aber keiner bedeutender und konsequenter als Kurfürst August der Starke von Sachsen, König von Polen. Nächst Paris galt Dresden für den elegantesten Hof, und alles, was nach französischer Schablone zugestutzt war, wurde gangbare Münze im Herzen Deutschlands.
    August der Starke war ein von der Natur mit allen Geistes- und Körpergaben reich ausgestatteter Monarch, dessen ganze Charakteranlagen, Anschauungen und Neigungen mit dem Geist Ludwigs XIV. ungemeine Ähnlichkeit hatten; aber der große Unterschied zwischen beiden war, daß August doch ein derbsinnlicheres Naturell hatte, daß seiner ganzen Erziehung das schärfere geistige Element, die tiefere Bildung abging, die die Jesuiten Ludwig verliehen hatten. August war ihm mehr in allen äußeren, materiellen Be- ziehungen des Lebens und Herrschens ähnlich. Der andere gewichtige Grund der Unähnlichkeit beider lag darin, daß eben Sachsen nicht Frankreich war. Das Bedürfnis des verschwenderischen, heißhungrigen Paris stand zu der Produktions- und Zahlungfähigkeit Frankreichs in ganz anderem Verhältnis als das Bedürfnis des Dresdener Hofes zur Opferfähigkeit Sachsens. Ludwig konnte alles, was er wollte; er war um die Mittel kaum verlegen, mit denen er etwas erreichen mochte, und die Größe seines Landes, das ihm eine fast tausendjährige Geschichte als Sockel seiner Taten geben konnte, imponierte der Welt weit mehr als das winzige Sachsen, dessen Existenz im Vergleich zu jenem Lande von gestern war. August wollte viel und konnte im ganzen doch wenig; und da er, von Eitelkeit und Stolz geblendet, nur das äußere glänzende Gewand des französischen Regimes zu erreichen strebte, versagten ihm die Kräfte, fehlten die Mittel, den inneren realen Glanz und Halt nachzuahmen, den Ludwigs höherer Geist dem Lande schaffte und der tiefer eingriff als das äußere Lappenwerk, das über seinem Katafalk zusammenfiel.
    Die Weltlage im Jahre 1717 war für Sachsen unangenehm genug. Polen, dessen erledigte Krone August der Starke 1696 auf dem Reichstage zu Warschau durch das Wahlkomitee sächsischer Truppen gewonnen hatte, war ihm eine ewige Quelle des Ärgers, der Ausgaben und Unruhen gewesen, ohne daß er behaupten konnte, ein Volk, das seinem Arme so fern lag, wirklich zu regieren. Dieses Polen, das er besaß und nicht besaß, das ihn solche Summen kostete (man machte den Witz, er trage Sachsen nach Polen), das ihm den furchtbaren Jammer des Schwedenkrieges und ein ziemlich abhängiges Verhältnis zu Rußland eintrug: er mochte und konnte es nicht lassen! Und als das Slawentum unter Ledekusky sich abermals siegreich gegen ihn erhoben und alle
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