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Friedemann Bach

Friedemann Bach

Titel: Friedemann Bach
Autoren: Albert Emil Brachvogel
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du ins Haus?«
    Langsam erhob der Knabe das Haupt, legte den Stift auf die Tafel und fragte: »Was will Er?«
    »Das geht dich nichts an, dummer Junge! Ich will wissen, ob hier der Konzertmeister Sebastian Bach wohnt.«
    »Das ist mein Vater; also geht mich das wohl an, weiß Er? -- Er kann jetzt ohnedem nicht mit ihm reden, er komponiert.«
    »Das geht mich nichts an!« Und ungesäumt schickte der Würdenträger sich an, die steinernen Stufen zu ersteigen und die Tür zu öffnen, als der Kleine mit beiden Händen die Klinke erfaßte, sie in die Höhe drückte und den Mann so drohend ansah, daß er, verblüfft über diese Keckheit, einen Schritt zurücktrat.
    »Weiß Er, was Komponieren ist? -- Das ist eine heilige Arbeit! So erhaben, wie wenn der Pfarrer sein göttlich Amt verrichtet; und wie Er den Pfarrer nicht stören darf in der Predigt, so darf Er auch meinen Vater nicht stören! Er mag wollen, was Er will: Er muß warten, bis der Vater vom Schreibtisch aufsteht!«
    »Hm! -- Was das für eine Wirtschaft ist! -- Sendet mich der Herr Volumier her im Auftrag des allerdurchlauchtigsten Kurfürsten, soll den Brief abgeben und Antwort bringen, und muß wie ein Maulaffe hier an der Tür stehen, die mir so ein Bengel vor der Nase zuhält!«
    »Haltet einmal, Mann!« sagte der Knabe. »Wenn Ihr einen Brief von Meister Volumier an meinen Vater bringt, so gebt ihn her. Ich warte an der Tür, bis er fertig ist; dann soll er ihn gleich lesen. Geht indes nur ruhig Eures Weges, in einer Stunde habt Ihr Antwort. Ein Trinkgeld kriegt Ihr auch, gebt nur her!«
    Die letzte Bemerkung schien, trotz des Bewußtseins seiner Würde, Eindruck auf den Kurier zu machen; auch überlegte er, der Bach müsse doch wohl eine vornehme Person sein, da er, der sonst nur an Gesandte und Fürsten geschickt wurde, an ihn eine Sendung habe, und überdies flößte ihm das sichere Wesen des Kleinen, das Wort »komponieren« und der Vergleich mit dem Prediger solche Achtung ein, daß er langsam den Brief aus der breiten ledernen Tasche zog, die das kursächsische Wappen trug. Während er dem Knaben das Schreiben übergab, sagte er nicht ohne Ängstlichkeit: »Du scheinst mir ein vernünftiger Junge zu sein ... da ist's! Daß du's ja aber auch gleich abgibst! So du's verlierst, kriegst du so viel Hiebe, daß du dein lebelang genug hast. In einer Stunde komme ich nach der Antwort!« Damit entfernte er sich und bemerkte den verwunderten Blick des Knaben nicht, der das Wort »Prügel« ebensowenig zu begreifen schien wie den Verdacht, er könne den Brief seinem Vater nicht abgeben.
    Der Kleine betrat das Haus, eilte durch den engen Flur in die Küche und hielt den Brief einer stattlichen Frau in mittleren Jahren von vollen, mit Gesundheit gesättigten Formen entgegen, die augenscheinlich beschäftigt war, der Dienstmagd beim Kochen zur Hand zu gehen.
    »Liebe Mutter, da ist ein Brief von Herrn Volumier aus Dresden, ein Bote vom Hofe hat ihn gebracht. Ich hab' ihn auf eine Stunde wiederbestellt, da soll er sich Antwort holen und ein Trinkgeld.«
    Die Gattin Bachs wischte die Hände sorgfältig an der Schürze ab und besah den fünfmal gesiegelten Brief nicht ohne Neugier. »Das dürfte was Wichtiges sein, Friede! — Trag ihn 'nauf, und wenn der Vater aufhört, sieh, daß er ihn gleich liest. Und sag mir's!«
    Der Knabe nickte zustimmend, nahm das Schreiben wieder an sich, schlich auf den Zehen die ziemlich schmale Treppe, die nach dem Dachstübchen führte, hinauf und faßte an einer kleinen Tür Posto, hinter der für ihn der Inbegriff alles Schönen und Edlen, alles Glückes auf Erden verborgen lag: denn hinter dieser Tür saß lautlos am Pulte sein Vater, der große Bach, und schrieb an einer Motette.
    Er war eine markige Gestalt in den dreißiger Jahren, die da in einem alten baumwollenen, oft geflickten Schlafrock in engen Stübchen saß, durch dessen offenes Fenster der fröhliche Morgenstrahl fiel, und die, von Büchern und Noten umgeben, ernst und still arbeitete. Die Ruhe wurde durch nichts unterbrochen, — nur jetzt... durch einen plötzlich aufjauchzenden Finkenschlag, der aus dem Wipfel der Linde herübertönte. Und den mußte Sebastian gerade gut gebrauchen können; denn lächelnd hob er sein Haupt, über seine ernsten stillen Mienen flatterte es wie ein Jubel und eine Rührung, seine Lippen öffneten und schlossen sich, als ob er eben seinem Gotte inwendig eine Antwort gegeben habe. Und dann schrieb er. Er schrieb, und die Noten wallten und
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