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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition)
Autoren: Stephanie Parris
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ersten Wachposten, auf den ich treffe, am Ärmel.
    »Sucht Walsingham«, keuche ich, dabei schüttele ich ihn leicht.
    »Eh? Wer seid Ihr? Lasst mich sofort los!« Er macht Anstalten, seinen Spieß zu senken, und ich hebe rasch beide Hände.
    »Bitte – Ihr müsst sofort zu Sir Francis Walsingham gehen. Sagt ihm, Douglas ist hier. Und sagt ihm, die Königin darf sich keinesfalls auf dieser Straße blicken lassen – Ihr müsst ihn so schnell wie möglich benachrichtigen. Sie schwebt in Lebensgefahr! Richtet ihm aus, der Italiener hätte es gesagt.«
    Er schaut mich für kurze Zeit verwirrt an, solange er überlegt, ob er meine Worte ernst nehmen soll. Ich nicke mehrmals nachdrücklich, um ihn zum Handeln zu bewegen. Endlich hebt er seinen Spieß und ruft laut: »Macht Platz, Leute! Macht Platz, rasch!«
    Bis ich davon überzeugt bin, dass er die Botschaft ausrichten wird, habe ich Castelnau und Mendoza aus den Augen verloren. Ich mische mich unbemerkt unter die anderen Zuschauer, mein Blick wandert von Gesicht zu Gesicht, und meine Hand ruht unter meinem Umhang wie immer auf dem Griff meines silbernen Messers.
    Später stehe ich, den Kopf in den Nacken gelegt, im großen Hof von Whitehall Palace und atme die frostige Luft ein, während ein Feuerwerk orangegoldene Funken am tintenblauen Himmel aufleuchten lässt; einen Regen bunten Feuers, der kurz aufflammt und dann verraucht und der die Gäste wie entzückte Kinder quieken und kreischen lässt. Dieses Schauspiel ist der Höhepunkt des heutigen Festes; sowie es vorüber ist, werden wir uns in die große Halle zurückziehen, um eine Reihe von Theaterszenen anzuschauen, die alle von Elisabeths Größe handeln, und sie mit verschiedenen mythischen Heldinnen vergleichen. Ich wollte eigentlich nach Hause gehen, aber das hat Castelnau nicht zugelassen, sondern mir klargemacht, dass es gilt, absolute Untertanentreue an den Tag zu legen, solange er gezwungen ist, erneut um ihre Gunst zu kämpfen. Aber Elisabeth ist noch am Leben, und das allein ist schon ein Grund zum Feiern. Die Prozession fand – wenn auch dank meines Eingreifens etwas verspätet – auf ihr Betreiben hin statt und verlief ohne Zwischenfälle, und dem Lärm zahlreicher Gelage in den Straßen sowie dem unaufhörlichen Glockengeläut nach zu schließen bekunden ihre Untertanen ihr in trauter Einigkeit lautstark ihre Verehrung. Vielleicht war Douglas ja heute gar nicht hier; vielleicht werde ich mir von nun an ständig einbilden, sein Gesicht in der Menge zu sehen, werde so schreckhaft und nervös werden wie der arme Léon Dumas – und man hat ja gesehen, wo das hingeführt hat.
    Ich spähe durch das Funkenmeer zu dem dahinterliegenden unendlichen Himmel empor. Die Nacht ist klar, und die Sterne leuchten so hell, dass sie zu pulsieren scheinen. Was würde ich benötigen, um die Entfernung zu ihnen zu berechnen?, überlege ich.
    »Wie viele neue Welten hast du entdeckt, Bruno?«
    Aus meinen Gedanken gerissen fahre ich herum und sehe Sidney mit einem Becher Wein in der Hand an der Wand lehnen. Schuldbewusst blicke ich mich um, aber Castelnau ist nicht in der Nähe.
    »Unendlich viele«, murmele ich, während sich meine verkrampften Muskeln entspannen.
    »Wo ist denn Gott zu finden, wenn es kein Universum von Fixsternen gibt?« Er dämpft seine Stimme zu einem Flüstern. »Hinter dem Ende des Kosmos?«
    »Ein unendliches Universum hat kein Ende, das solltest sogar du begreifen«, gebe ich grinsend zurück.
    »Wo ist er dann? Hinter den Sternen?«
    »Oder vielleicht in ihnen. In den Sternen und den Planeten und dem Regen und den Steinen unter unseren Füßen und in uns. Oder nirgendwo.«
    »Du tätest gut daran, solche Ideen nicht in dein Buch aufzunehmen«, erwidert er. »Ihre Majestät kann es nämlich kaum erwarten, es zu lesen.«
    »Wie bitte?«
    Er lacht. »Das ist deine Belohnung, mein Freund. Walsingham hat ihr erzählt, dass du ein Buch über das Firmament schreibst. Sie wünscht, dass du eine Kopie davon binden lässt und sie ihr persönlich am Hof überreichst.« Er klopft mir auf die Schulter und hält mir seinen Becher hin. »Ihre Majestät ist eine ungewöhnlich gebildete Frau, wie jeder weiß, aber trotzdem wünsche ich ihr viel Glück, wenn sie versuchen will, deine Theorien nachzuvollziehen.« Erneut blickt er zu dem mit Sternen übersäten Himmel auf. »Wenn ich mir auch nur eine Minute lang ein Universum ohne Ende vorstellen müsste, würde mein Gehirn wahrscheinlich überhitzen und
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