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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition)
Autoren: Stephanie Parris
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hebt die heruntergefallenen Bücher auf und klopft den Staub ab. »Nehmen wir die alle mit, Sir?«
    »Ich weiß es noch nicht.« Dee fährt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die frühere freudige Erregung scheint von ihm abgefallen zu sein, jetzt klingt er müde und verwirrt. »Leg sie auf den Schreibtisch, Ned, ich sehe sie gleich durch. Vielleicht kannst du uns einen Moment allein lassen?«
    Kelley nickt und huscht mit einem letzten triumphierenden Lächeln in meine Richtung davon. Ich starre Dee an.
    »Er soll Euch doch nicht etwa begleiten?«
    »Doch. Oh, verdreht nicht so die Augen, Bruno. Ned hat ein launisches Naturell, das hängt mit seiner Gabe zusammen. Aber er hat seinen Betrug gestanden und sich vollständig von Howard und Johanna losgesagt. Jetzt brennt er darauf, unsere Arbeit fortzusetzen. Er sagt, ihn durchströmen neue Energieschübe der Geister. Sie wollen sich dringend mit uns in Verbindung setzen.«
    »Das Einzige, was ihn durchströmt, ist der Wunsch, England zu verlassen, bevor er von den Constables wegen seiner Schulden festgenommen wird«, schnaube ich giftig.
    »Ach, Bruno, ich weiß, dass unsere Meinungen in Bezug auf Ned immer auseinandergehen werden, aber wir wollen doch in Frieden voneinander scheiden«, erwidert er, und ich sehe ein, dass ich ihn nicht von seinem Kurs werde abbringen können. »Ich habe ein Geschenk für Euch.« Er wühlt in den Papieren auf seinem Schreibtisch herum und fördert ein schönes, in Kalbsleder gebundenes Buch zu Tage, das er mir fast verschämt hinhält. Ich schlage es auf, um das Vorsatzblatt zu betrachten, und stelle fest, dass es sich um eine Ausgabe der Kommentare des Erasmus handelt, desselben Werkes, das ich in jener Nacht vor sieben Jahren, als ich aus dem Kloster in Neapel floh, gezwungenermaßen im Abtritt versenken musste. Dee hat immer großes Vergnügen an dieser Geschichte gefunden und mich wiederholt gebeten, sie noch einmal zu erzählen.
    »Ich fand, Ihr müsstet eine eigene Ausgabe davon besitzen«, murmelt er, ohne mir in die Augen blicken zu können. »Hierzulande ist es nicht verboten. Passt auf, dass Ihr es nicht in die Latrine fallen lasst.«
    »Es ist wunderschön.« Ich streiche über den Einband, und diesmal muss ich den Blick abwenden, um ihn nicht merken zu lassen, wie mühsam ich die Tränen zurückhalte. Bei der Tür drehe ich mich um und beobachte ihn, wie er da zwischen dem Zubehör seiner Magie steht und wie das Sonnenlicht, das durch das Fenster fällt, seinen langen Bart aufleuchten lässt, und ich wünsche mir, ich würde über Zeichentalent verfügen, denn dann würde ich ihn genau so verewigen, wie er jetzt aussieht – störrisch, verwirrt, ein wenig traurig und weiser als die meisten von uns – nur für den Fall, dass ich ihn in diesem Leben nicht mehr wiedersehe.
    In der Halle umarmt mich Jane noch einmal. Der kleine Arthur klammert sich an ihre Röcke.
    »Ich muss ihn wohl lieben, Bruno, oder warum würde ich mich sonst mit allem abfinden?«
    »Vielleicht fällt Kelley auf der Reise über Bord«, versetze ich.
    Sie lacht und wischt sich mit dem Handrücken eine Träne ab, bevor sie ihr über die Wange rollen kann.
    »Wenn es nach mir ginge, bestimmt.« Sie hält inne und dreht ihre Schürze in der Hand. »Geht mit Gott, Bruno. Ihr seid ein guter Mann. Gott weiß, wie wenige es davon gibt.«
    »Dann kümmert Euch gut um den, den Ihr in Eurer Obhut habt«, sage ich mit einer kleinen Verbeugung. »Und zieht einen weiteren groß.« Ich zerzause Arthurs Haar, woraufhin er sich kichernd hinter seiner Mutter versteckt.
    »Und geratet nicht wieder in Schwierigkeiten.«
    »Wenn ich nur wüsste, wie ich das verhindern soll. Ich suche die Gefahr nicht, Jane – sie folgt mir.« Als ich das sage, muss ich an Fowlers Warnung bezüglich Douglas denken, wie ich jeden Abend daran denke, wenn ich zu Bett gehe. Die Morde sind aufgeklärt, die Invasion ist abgewendet – zumindest vorläufig, aber die Gefahr ist noch nicht gebannt. Ich frage mich, ob ich wohl je erfahren werde, wie es ist, ohne Furcht vor einem Messer an der Kehle zu leben – aber dann sage ich mir, dass noch nicht einmal die Königin von England diesen Frieden kennt. Das liegt in der Natur unseres Zeitalters, und es bedarf weder einer alten Prophezeiung noch einer Konjunktion der Planeten, um es zu erklären.

Epilog
    Whitehall Palace, London
    17. November im Jahr des Herrn 1583
    25. Jahrestag der Thronbesteigung Ihrer Majestät
    Elisabeth, Regina von
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