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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition)
Autoren: Stephanie Parris
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Folterknechte des Towers konnten ihn nicht dazu bringen, das zu wiederholen, womit er mir gegenüber in diesem Hinterzimmer der Schänke in Southwark geprahlt hat. Als Vorsichtsmaßnahme wird Walsingham in der Hoffnung, den jungen König James davon überzeugen zu können, dass friedliche Beziehungen zu England seinem Reich am besten dienen, nach dem Thronjubiläum in diplomatischer Mission nach Schottland reisen. Im Moment konzentrieren sich die Bestrebungen des Kronrats darauf herauszufinden, ob ein anderer, bislang unbekannter Verschwörer mit der Ausführung des Mordanschlags betraut worden ist.
    »Dieses Land«, beginnt Dee, dann hebt er die Hände, als könne er nicht die richtigen Worte finden. »Als ich in Eurem Alter war, Bruno, glaubte ich, Elisabeth Tudor würde uns wirklich von dem Aberglauben und der Tyrannei Roms befreien. Aber wenn ich sehe, was ihre Schergen zu tun bereit sind, um diese Freiheit zu erhalten, dann muss ich das Erreichte in Frage stellen. Walsingham würde sagen, man kann nicht ohne Blutvergießen zum Wohle vieler handeln, aber ich weiß nicht …« Er seufzt tief. »Ich kann nur sagen, dass es mir nicht leidtut, diese Insel für eine Weile zu verlassen. Nur unsere Gespräche werde ich vermissen, Bruno.«
    »Ich auch«, erwidere ich inbrünstig. Ich möchte ihm noch mehr sagen, ihn wissen lassen, dass er mir während meiner Verbannung fast zu einem Vater geworden ist, aber in diesem Moment bemerke ich eine Bewegung hinter mir, und ich sehe, wie sein Blick über meine Schulter hinweg zur Tür wandert und er nickt. Als ich mich umdrehe, traue ich meinen Augen nicht, denn vor mir steht Ned Kelley. Er trägt einen ausgefransten roten Schal um den Hals und hält eine Bücherkiste in den Händen.
    »Die kann auf die Reise geschickt werden«, verkündet er. »Oh, hallo, Doktor Bruno. Was macht Euer Kopf? Ich hörte, Ihr habt einen ziemlich heftigen Schlag abbekommen.« Er grinst verschlagen, wobei er seine schiefen Zähne entblößt.
    »Du schmierige kleine Ratte!« Meine Wut kocht über, ich stürze mich auf ihn und packe ihn mit solcher Kraft am Hemd, dass er die Kiste fallen lässt und die Bücher sich auf dem Boden verteilen. Ich hole mit geballter Faust aus, Kelley blökt angstvoll, doch Dees Hand schließt sich um meine zum Schlag erhobene Hand, bevor ich sie in das höhnische Gesicht des Wahrsagers schmettern kann.
    »Schon gut, Bruno. Ich verstehe Euch ja. Aber Ned und ich haben viele Stunden damit verbracht, alles aufzuarbeiten, was zwischen uns geschehen ist, und er hat sein Verhalten bereut.«
    »Bereut hat er es?« Ich gebe Kelley frei und drehe mich ungläubig zu Dee um. »Er hat Euch verkauft! Er hat Geld von Henry Howard genommen, um Euch zu vernichten – und Ihr lasst ihn immer noch in Euer Haus? In Gottes Namen, John – habt Ihr jetzt ganz den Verstand verloren?«
    »Bruno.« Dees Stimme klingt so bekümmert und sanft wie immer. Er legt mir eine Hand auf den Arm. »Ned stand zu sehr unter dem Einfluss dieser Frau. Jetzt, wo sie fort ist, ist er wieder zu sich gekommen, und ich habe ihm verziehen, wie man einem missratenen Sohn verzeiht. Ich glaube, Ihr versteht, dass ein Mann sich durch die Reize einer Frau vom rechten Weg abbringen lassen kann.«
    »Es war der Reiz von Howards Geldbörse, das wisst Ihr genau!« Ich schüttele seine Hand von meinem Arm. Das hat Jane also mit »zur Vernunft bringen« gemeint. Alle Zuneigung, die ich eben noch für Dee empfunden habe, ist angesichts meines Zorns ob seines unerschütterlichen Vertrauens in Kelley verflogen. »Und er hat versucht, mich zu töten, während Ihr im Palast wart. Er hat mir einen Stein an den Kopf geworfen.« Ich reibe mir die Schläfe, an der eine rote Narbe zurückgeblieben ist.
    »Das ist üble Nachrede.« Kelley weicht vorsichtshalber einen Schritt zurück. »Ihr habt keinerlei Beweise.«
    »Seid Ihr wirklich so blind?« Ich drehe mich wieder zu Dee. »Er verfügt über keine besondere Gabe, John. Er beherrscht auch keine spezielle Sprache, in der er mit den Geistern kommunizieren kann. Er ist nichts als ein Scharlatan – ich sehe es, Eure Frau sieht es, nur Ihr verschließt die Augen davor!«
    Ich hatte nicht beabsichtigt, die Stimme gegen ihn zu erheben. Er sieht mich verletzt an, und ich verspüre Bedauern und Erleichterung zugleich. Ich möchte nicht, dass wir im Streit auseinandergehen, aber ich kann mich auch nicht für etwas entschuldigen, von dem ich weiß, dass es die Wahrheit ist.
    Kelley bückt sich,
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