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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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und läutete vis-à-vis. Ich war kein grundsätzlich schüchterner Mensch. Aber wildfremde Leute um Auskünfte zu bitten verlangte immer wieder etwas Überwindung. Und mit den Auswirkungen von Verkalkung hatte ich wenig Erfahrung. Noch, fügte ich in Gedanken hinzu und grinste.
    Ich läutete noch einmal. Wahrscheinlich war die alte Frau Nawratil auch schon schwerhörig.
    „Ja“, rief es drinnen, „ich komme ja schon und hören Sie auf Sturm zu läuten, ich bin ja nicht schwerhörig.“
    Das allerdings hatte meine Großtante auch immer behauptet. Drei Schlüssel wurden im Schloss bewegt, dann zeigte sich ein Gesicht mit einer Haut wie zerknittertes Seidenpapier, hellblauen Augen und umgeben von kurz geschnittenem, schütterem weißem Haar.
    „Mira Valensky“, sagte ich und streckte ihr meine Visitenkarte entgegen. Sie nahm sie, schloss die Tür auf und öffnete sie zehn Sekunden später weit.
    „Kommen Sie herein. Ich habe zwar schon eine Zeitung, aber kommen Sie herein.“
    Sie schien offenbar zu glauben, dass ich ihr ein Abo des „Magazins“ andrehen wollte. Warum glauben alle Menschen zwischen zwanzig und über neunzig, dass es nur ums Verkaufen gehen kann, wenn eine Unbekannte vor der Tür steht? Ist das nur in Wien so oder gibt es dieses Phänomen auch sonst wo?
    „Haben Sie in den letzten Tagen eine junge Frau gesehen, zirka zwanzig Jahre alt, brünette mittellange Haare, schlank?“
    „Ich bin ja nur immer im Haus.“
    „Ja, eben. Haben Sie so eine Frau hier im Haus oder vor dem Haus gesehen?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Wissen Sie, ich bin nicht mehr so gut auf den Beinen. Früher schon, aber jetzt nicht mehr. Also sitze ich die meiste Zeit in meinem Sessel und schau nicht mehr so viel aus dem Fenster.“
    „Vielleicht war die junge Frau ja auch bei Ihnen? Überlegen Sie: Vielleicht haben Sie eine junge Verwandte, die so aussieht?“
    „Liebe junge Frau, ich weiß ja nicht genau, was Sie von mir wollen, aber ich wüsste es, wenn jemand bei mir gewesen wäre. Zu mir kommt nur die Hilfe und auch die kommt nicht immer oder sie kommt zu spät. Pünktlichkeit ist keine Tugend mehr, so scheint es. Und junge Verwandte habe ich nicht. Meine Verwandten sind alle tot. Bis auf eine Nichte, aber die ist schon alt. Und sie ist verkalkt. Muss in einem Altersheim leben. Bevor ich in ein Altersheim gehe, stelle ich mich mitten auf die Straße und lasse mich von der Tramway niederführen.“
    Das alles kam in einem sehr gepflegten Wiener Hochdeutsch. „Sie haben ein Telefon?“
    „Was glauben Sie denn? Ich habe seit den Zwanzigerjahren ein Telefon.“
    „Wenn Sie sich an etwas im Zusammenhang mit der jungen Frau erinnern, rufen Sie mich bitte an.“ Ich drückte ihr eine Visitenkarte in die Hand.
    „Ich erinnere mich an alles. Wahrscheinlich haben Sie mit der Ministerialratsfrau geredet. Sie lügt. Ich bin nicht vergesslich. Sie will bloß die Wohnung frei bekommen. Ich erinnere mich an alles.“ Sie sah mich stolz an.
    „Hervorragend“, erwiderte ich. Etwas Besseres fiel mir nicht ein.
    „Also wollen Sie mir jetzt Ihr ‚Magazin‘ verkaufen?“
    Ich verabschiedete mich höflich von der alten Dame und sah gerade noch, wie sie meine Visitenkarte in einen Blumentopf steckte. Warum auch nicht?
    Bei allen anderen Hausparteien hatte ich Pech. Niemand reagierte auf mein Klingeln. Egal, heute Nachmittag musste ich meine Story schreiben, morgen ging sie in Druck. Und wenn ich auch nicht herausgefunden hatte, wer die Tote war, so hatte die Geschichte vielleicht gerade dadurch ihr gewisses Etwas. Eine unbekannte Tote war meist interessanter als eine Tote, die Mizzi Huber hieß und halbtags im Schuhgeschäft um die Ecke arbeitete. Gearbeitet hatte. Aber dann wäre sie freilich wohl nicht ausgerechnet im Freud-Museum ermordet worden, sondern daheim von ihrem eifersüchtigen Freund.
    Jetzt blieb nur noch zu klären, warum die Mordkommission gestern Abend so lange gebraucht hatte. Ich war zehn Minuten nach Ulrikes Anruf im Museum gewesen, die Polizei war erst zwanzig Minuten später gekommen. Absurd, die zentralen Polizeidienststellen waren vom Museum in der Berggasse bloß einige hundert Meter entfernt.
    Mittagszeit. Vielleicht hatte ich Glück. Ich parkte in der Nähe der Rossauer Kaserne, sicherheitshalber ordnungsgemäß in der Kurzparkzone und mit Parkschein. Dann spazierte ich mit einem lässigen Winken an den beiden Wachebeamten des Sicherheitsbüros vorbei. Auch den Portier passierte ich so, als ob ich
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