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Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Freudsche Verbrechen. Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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derartigen Vorfällen nichts zu tun.“
    „Derartige Vorfälle“, als hätte die Tote aus lauter Böswilligkeit diese Adresse gekritzelt. Wenn sie es gewesen war. Man konnte es schließlich – vielleicht noch – nicht beweisen, aber darauf hatte ich in der Story ohnehin hingewiesen. Ich hatte bloß geschrieben, dass in dem Buch, in dem die ermordete Frau zuletzt gelesen hatte, ein Zettel mit der Adresse „Birkengasse 14“ gefunden worden war.
    „Die Herren der Sicherheitsdirektion haben inzwischen bestätigt, dass wir mit der Angelegenheit nichts zu tun haben. Sie haben mit uns geredet. Das haben Sie ja nicht der Mühe wert gefunden.“
    Ich hatte keine Lust, mich zu rechtfertigen und schwieg.
    „Sie hätten schreiben müssen, was die Herren der Sicherheitsdirektion gesagt haben.“
    „Es gibt eine Nachrichtensperre, also tue ich mich damit ziemlich schwer. Wenden Sie sich diesbezüglich an die ‚Herren der Sicherheitsdirektion‘.“
    „Ich bin Jurist und Sie werden mir nicht sagen, was ich tun soll und was Sie tun dürfen.“
    Ich schwieg wieder.
    „Ich verlange, sofort mit Ihrem Chefredakteur zu sprechen.“
    Ich stellte durch. Kein Problem. Mein Chefredakteur war zwar immer gerne bereit, vor Menschen mit viel Geld und Einfluss auf die Knie zu fallen. Aber mit Beamten, auch mit höheren Beamten, hatte er es nicht so. Außerdem war die Story sauber.
    Immer noch war die Identität der jungen Frau ungeklärt. Sie war wohl tatsächlich keine Österreicherin. In Österreich verschwinden nicht gerade viele Menschen. Eine Zwanzigjährige, die gar niemandem abging, die gab es hoffentlich nicht. Schlimm genug, wenn es immer wieder vorkam, dass alte Menschen Wochen und Monate in der Wohnung lagen, bevor ihr Tod bemerkt wurde.
    In der vergangenen Nacht war ich wieder gegen fünf Uhr wach geworden, wieder hatte mein Herz laut geschlagen. Aber es war nicht so schlimm gewesen wie in der Nacht nach dem Mord. Wahrscheinlich lernte ich langsam, damit zu leben und mich nicht unnötig aufzuregen. Ich seufzte.
    Die junge Frau musste irgendwo gewohnt haben. Warum meldete sich niemand? Oder war sie gerade erst in Wien angekommen, ins Freud-Museum gegangen und gleich dort ermordet worden? Vielleicht von einem Psychopathen?
    Ulrike war empört gewesen, als ich diese Möglichkeit angedeutet hatte. Im Freud-Museum seien nicht mehr Psychopathen unterwegs als in anderen Museen, hatte sie gemeint. Im Gegenteil: Wahrscheinlich gäbe es dort sogar mehr Menschen, die sich analytisch mit ihrer Psyche beschäftigten. Das sei nicht gefährlich, sondern gesund. Ich hatte zur Antwort etwas in der Art gemurmelt, es sei doch kein Zufall, dass man Verrückte und ihre Ärzte nicht immer auseinander halten könne. Ich wollte sie eben etwas provozieren. Ihre Antwort war ein längerer Vortrag über die Psychoanalyse im Allgemeinen und die Tatsache, dass es wohl in erster Linie von unserem eigenen Standpunkt abhängt, was wir als verrückt betrachten.
    Da war schon etwas dran.
    Mir erschien es zum Beispiel nicht verrückt, nur für mich ganz allein eine Hummerterrine zu produzieren. Im Gefrierschrank lag ein eingefrorener roher Hummer, das Schlagobers und frische Stangensellerie hatte ich gerade noch vor Geschäftsschluss am Heimweg besorgt. Genauer als sonst hatte ich mir die Menschen angesehen. Wer war normal, wer verrückt, wer hatte vielleicht psychische Probleme? Es wäre wohl besser zu fragen, wer keine psychischen Probleme hatte. Und gab es jemanden im Supermarkt, der morgen schon tot sein würde?
    Die Hummerterrine war mein persönliches Programm, um Gedanken an plötzliche Todesfälle und Einsamkeit zu vertreiben. Mit einer gut gekühlten Hummerterrine würde ich mich lange nicht so allein fühlen wie mit einem alten Wurstbrot.
    Während der Hummer auftaute, sah ich mir eine Sendung über das Leben der Wüstenspringmäuse an. Sie paarten sich, bekamen Kinder, sie fraßen und bauten ihre Wohnungen, sie kämpften und starben und eine neue Generation paarte sich. Im anderen Programm lief eine Arztserie. Da war mir der ewige Kreislauf der Wüstenspringmäuse allemal lieber. Zu Kabelfernsehen oder zu einer Satellitenschüssel hatte ich es noch nicht gebracht. Ich war selten genug am Abend zu Hause, da reichten die beiden österreichischen Programme.
    Gismo genoss meinen Fernsehabend, sie hatte sich auf meinem Schoß zu einem dicken, beinahe kreisrunden Kringel zusammengedreht und schlief. Vorsichtig schob ich sie zur Seite.
    Vertraute
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